: In Zukunft milchgläserne Bosse
Kodex für Corporate Governance soll mehr Transparenz in Unternehmen und ihre Führung bringen und ihnen so das Vertrauen der Anleger sichern. Kritiker halten die Benimmregeln für zu unverbindlich und die Kontrollmaßnahmen für wenig effizient
von BEATE WILLMS
Wer wollte nicht schon immer wissen, was Jürgen Schrempp so verdient? 12 Millionen Mark, wie das Manager Magazin unwidersprochen schätzt? Und was davon sind Prämien, was ist mit Pensionsansprüchen? Auf die Antwort werden auch DaimlerChrysler-Aktionäre wohl weiter vergeblich warten. Denn wenn Schrempp nicht überraschend dem Vorbild des ThyssenKrupp-Vorstands folgt, der die Einkünfte der acht Mitglieder im nächsten Geschäftsbericht „im Detail veröffentlichen“ will, kann er problemlos bei der Nichtinformationspolitik bleiben, die in deutschen Unternehmen gang und gäbe ist. Entgegen der Forderung nach einer verpflichtenden Offenlegung der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütungen regt der gestern von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vorgestellte Kodex zur Corporate Governance das nämlich nur an.
Insgesamt regelt der Kodex das Verhältnis von Aufsichtsrat, Vorstand und Hauptversammlung und verpflichtet die ihn unterzeichnenden Unternehmen zu mehr Transparenz. Damit soll, so Däubler-Gmelin, bei den Anlegern auf den internationalen Finanzmärkten „Vertrauen geschaffen und zugleich Unternehmenskrisen vorgebeugt werden“. Diese Ziel sehen Aktionärsschützer allerdings bereits durch die Form der freiwilligen Selbstverpflichtung von vornherein als verfehlt an: Teilweise, so ihre Kritik, fasst der Kodex lediglich geltende Gesetze zusammen, was darüber hinausgeht, ist als „Empfehlung“ oder als „Anregung“ gekennzeichnet. Abweichungen von Empfehlungen dürfen vorkommen, müssen von den Unternehmensvorständen im Geschäftsbericht aber erläutert werden. Anregungen sind ganz unverbindlich.
Die Kommission hat rund 70 Detailregelungen formuliert. So etwa den Grundsatz „eine Aktie, eine Stimme“ – damit schließt der Kodex etwa Mehrstimmrechtsaktien oder „golden shares“ aus. Auch bei Informationen müssen alle Aktionäre künftig gleich behandelt werden. Umstände, die Vorstände oder Aufsichtsräte in Interessenkonflikte bringen können, sollten dem Gesamtaufsichtsrat „unverzüglich mitgeteilt“ werden. Im Aufsichtsrat selbst sollen nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder sitzen. Kein Mandatsträger soll mehr als fünf Aufsichtsräten angehören.
Der Vorsitzende der Kommission, Gerhard Cromme, setzt darauf, dass „die Finanzmärkte“ die Unternehmen bei Nichteinhaltung der Spielregeln bestrafen. Klaus Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre hält dagegen die Anlage des Kodexes „nach den bisherigen Erfahrungen mit Selbstverpflichtungen für „enttäuschend“.
Diese Kritik teilt der Bremer Ökonom Rudolf Hickel, der selbst im Aufsichtsrat der Allianz AG sitzt. Zwar wies er darauf hin, dass sich die Anregungen im Kodex auch als „Reformvorschläge“ interpretieren ließen. Doch er vermisste die „entscheidenden Ansätze zu einer verbesserten Kontrolle“. So fehle jede Idee, etwa die Hauptversammlung zu reformieren, die als „elend lange Massenveranstaltung keine effiziente Kontrolle des Vorstands und des Aufsichtsrat“ zulasse. Der Interessenkonflikt von Bankvorständen, die im Aufsichtsrat eines Unternehmens sitzen, das von ihrer Bank Kredite bekommt, werde nicht angegangen und die Tätigkeit von Wirtschaftsprüfern für ein Unternehmen nicht zeitlich begrenzt. Dagegen lobte Hickel, dass Vorstände gegenüber dem Aufsichtsrat transparenter werden, Vertreter beider Gremien Kauf und Verkauf von Aktien ihres Unternehmens offenlegen und Aufsichtsräte künftig einen Prüfungsausschuss zum Risikomanagement bilden sollen.
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