: Eingeprägtes Feindbild führte Regie
■ MediaNight: Hafensträßler vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen
Mitten in der Vernehmung des Polizisten Thorsten R. bricht Amtsrichterin Piech forsch die Beweisaufnahme ab und macht kurzen Prozess: „Ich sehe keine versuchte Körperverletzung.“ Wenig später spricht sie den Hafensträßler Frank J. vom Vorwurf der Körperverletzung und des Landfriedensbruchs frei. Den beteiligten Beamten droht nun ein Verfahren wegen Freiheitsberaubung, falscher Anschuldigung und Meineid.
Am 23. April vorigen Jahres herrscht abends am Hafenrand polizeilicher Ausnahmezustand. Der Senat hat die Schickeria und Multi-Media-Prominenz des „Hamburger Dialogs“ zum Standort-Spektakel „MediaNight“ in die Riverkasematten geladen. Und da die angrenzende Hafenstraße ihrerseits zum „medialen Gegenpart“ mit Bottle-Party und Open-Air-Kino (Park Fiction) eingeladen hat, wird der Belagerungszustand für das Haus 126 verfügt. BewohnerInnen und Gästen wird der Zutritt verweigert. Als Bewohner Frank J. über Megaphon die Polizei auffordert, den Einsatz zu beenden, rücken Polizeiketten knüppelnd gegen die Menschen vor und nehmen J. fest.
Auf welcher Grundlage dieser Einsatz auf dem Privatgelände angeordnet worden sei, vermag der Abschnittsführer der Polizei, Bernd W., nicht zu sagen. „Gefahrenabwehr“, brummelt er, „wegen der Nähe zur Media Night.“ Auf die Frage von J.s Verteidigerin Gabriele Heinecke, was für eine Gefahr ausgegangen sei, stockt er: „Eine Einwirkung gegen die Media Night hat es vorher nicht gegeben“, räumt er ein. Aber: „Da lagen Kanthölzer aufgetürmt.“ Und wo ist die Gefahr? „Die Verbindung von Menschen und Kanthölzer ist gefährlich.“
Auch die Festnahme-Gründe von J. bleiben dubios, außer, dass das Feindbild wohl stimmte. „Er saß teilnahmslos auf dem Seitenstreifen“, sagt Bernd W. „Da habe ich ihn aufgefordert mitzukommen.“ Zur Begründung hält ein Konglomerat aus Polizeirecht (Gefahrenabwehr) und Strafrecht (Landfriedensbruch) her. „Ich hab die Durchsage nicht verstanden“, gesteht W., aber aufgrund der Reaktion der Menge hält er J. für den „Rädelsführer“. Auch Zugführer Thorsten R. hat die Durchsage nicht verstanden, deutet sie aber ganz anders: „Ich kann nicht sagen, dass er durch die Durchsage unsere Arbeit erschwert hätte.“ Dagegen bezichtigt er wiederum J., einmal gegen die Polizeikette getreten zu haben, was jedoch ein Video widerlegt. Aber dieser Tritt, schwärmt Thorsten R. über die tolle Polizei-Schutzausrüstung, hätte keine Wirkung zeigen können.
Für die Amtsrichterin ist der Fall klar: „Ein Fußtritt, der gar nicht verletzen kann, ist auch keine versuchte Körperverletzung.“
Kai von Appen
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