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Gewissen inklusive

■ Harmony war letzte Woche, nun will der Ausgeher mehr. Alles – ein Buffet, ein wenig Kultur und einen guten Zweck. So sieht multifunktionales Ausgehen beim Kulturdinner in der Medien-Coop aus

Ich muss zugeben, dass ich selten Gelegenheit habe, auf einem guten Gewissen zu ruhen. Dafür mache ich mir zu wenig aus diesem Seelenpolster, das in Wahrheit doch ein mieser Piesack ist, weil es einem ständig mit irgendeiner Moral kommt: Verzicht! Verzicht auf dies, Verzicht auf Spaß! Verzicht auf die Dinge, die einem einfach nur mal gut tun sollen. Dabei kann es auch anders gehen. Ich stieß darauf, weil ich eines Abends zufällig einen alten Bekannten traf, der auf dem Weg ins Lagerhaus war. Zum Kulturdinner, sagte er. Das klang verdächtig in meinen Ohren. Grund genug, mir die Sache einmal anzuschauen.

Seither ist diese kleine Veranstaltung immer wieder Ziel abendlicher Exkursionen geworden. Gestern zum Beispiel speiste ich auf Peruanisch. Ein anderes Mal war es Nepals Küche, ein weiteres Mal Afrikanisches – und stets bis zur Sättigung. Wäre es kein so solider Tisch gewesen, er hätte sich unter der Wucht des Büffets gebogen: gebratene Hühner, Fischköpfe und merkwürdige kleine Krustigkeiten nebst Suppen, Saucen, Salbei.

So bunt wie die Speisenfolge ist das Publikum. Da wird debattiert. Da werden Bekanntschaften geschlossen und Rezepte ausgetauscht. Aber auch Termine natürlich, weil dann doch allein zum Essen die wenigsten kommen. Veranstaltet wird das Kulturdinner nämlich vom Menschenrechtsverein. Mit den Einnahmen werden Kampagnen des Vereins unterstützt.

Und Kultur? Die ist zwar immer wieder ausgefallen, aber eigentlich gibt es von Film bis Musik immer wieder was zum Essen dazu, und wenn es nur ein spontan anberaumter Tanz ist, wie ihn eine nepalesische Tanzgruppe initiierte.

Man kommt sich jedenfalls näher, leichter als anderswo. Der Norddeutsche an sich ist ja schon ein wenig kühl, aber trotz des Raums, der sein sonstiges Dasein als Seminarraum nicht so recht verbergen kann, geht es so umstandslos umeinander, als würde man mit diesen Leuten, teils Stammgäste, teils deren mitgebrachten Bekannten schon lange regelmäßig zum Dinner am Tisch sitzen.

Der Vergleich mag profan klingen und er ist es auch, zugegeben: Aber Sie erinnern sich vielleicht, dass ganz früher die Verschlüsse an Getränkedosen mit einem Ring abgerissen und weggeworfen wurden, bevor ein findiger Mensch das heutige Prinzip ersonnen, bei dem der Verschluss mit dem Ring eingedrückt wird, aber an der Dose verbleibt, so dass keine abgerissenen Dosenverschlüsse mehr in der Gegend herumliegen. Sie verstehen, worauf ich hinaus will? Auch wenn es nicht stimmen mag, dass erst der Bauch und danach die Moral kommt, scheint doch der Appell ans gute Gewissen besser anzukommen, wenn eine warme Mahlzeit und angenehme Gesellschaft inklusive sind.

Das Kulturdinner findet zweimal im Monat in der Medien-Coop im Lagerhaus (4. Stock) statt. Allerdings fällt der erste Termin im März aus, weshalb das nächste Kulturdinner erst am 28.3. sein wird. Die Teilnahme am Buffet kostet 6, ein Bier 2 Euro.

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