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„Auch Glöde muss raus“

Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck zum Stand des RZ-Verfahrens, nachdem gestern nun auch der vierte von fünf Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist

taz: Die Angeklagten Rudolf Schindler, Sabine Eckle, Matthias Borgmann und Axel Haug sind aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Was bedeutet das für den Fortgang des RZ-Prozesses?

Wolfgang Kaleck: Das bedeutet, dass die unerträgliche Situation der Untersuchungshaft für vier der Angeklagten beendet ist. Es ist davon auszugehen, dass in den Prozess nun die erforderliche Ruhe eintritt, sich auf den Kern des Verfahrens zu konzentrieren und die Aussagen des Kronzeugen der Bundesanwaltschaft, Tarek Mousli, auf ihren Wahrheitsgehalt hin abzuklopfen. Zuvor muss aber auch der fünfte Angeklagte, Harald Glöde, entlassen werden.

Was ist mit Harald Glöde, beißen den Letzten die Hunde?

Ich gehe davon aus, dass das Gericht auch bei ihm einlenken wird. Die Tatsache, dass die anderen vier haftentlassen sind und das Verfahren problemlos weiterläuft, zeigt, wie absurd die Befürchtung der Fluchtgefahr war. Es ist auch zu keinen Störungen des Verfahrens gekommen.

Ist hier ein unheimlicher Popanz aufgebaut worden?

Es war eine irrationale Angst da, dass sich die Angeklagtem dem Verfahren entziehen würden. Dabei war klar, dass keiner sein persönliches und berufliches Umfeld durch eine Flucht aufgeben würde.

Müssen die Angeklagten mit einer neuen Inhaftierung nach dem Urteil rechnen?

Selbst wenn das Gericht trotz der unsicheren Beweislage einzelne Angeklagte verurteilen wird, ist dem Maß der zu erwartenden Freiheitsstrafe schon dadurch eine Grenze gesetzt, dass dem als Rädelsführer angeklagten Rudolf Schindler vom Gericht eine Höchstrafe von 3,9 Jahren zugesagt worden ist.

Rudolf Schindler und Axel Haug haben in ihren Aussagen den Darstellungen des Kronzeugen Tarek Mousli widersprochen. Wie stark ist dadurch die Anklage der Bundesanwaltschaft durch die Aussagen ins Wanken geraten?

Haugs Einlassung hat bewiesen, dass Mousli keine plausible Erklärung für die angebliche Existenz des Sprengstoffdepots im Mehringhof geben kann. Haug hat eine Reihe ojektivierbarer Tatsachen benannt, warum das ausgeschlossen war. Unter anderem, dass kein Hausmeister vom Mehringhof das Überleben des Projekts durch die Lagerung von Sprengstoff gefährden würde.

Warum haben die Angeklagten so lange mit einer Einlassung gewartet?

Das ist eine Frage von Prozessstrategie. Schindler hat sich ja selbst schwer belastet. Er hat das unter dem Druck der Untersuchungshaft gemacht, die immer auch den Zweck erfüllt, Aussagen zu erzwingen.

Wird Harald Glöde heute rauskommen?

Dass er nach zwei Jahren und drei Monaten immer noch drin ist, ist durch nichts mehr zu rechtfertigen. Zumal seine beiden Verteidigerinnen hervorragend herausgearbeitet haben, warum Harald Glöde weder an den Vorbereitungstreffen noch an den Anschlägen in den Jahren 1986/87 beteiligt gewesen sein kann.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE

Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, 41, verteidigt in dem RZ-Verfahren den Angeklagten Matthias Borgmann.

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