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Rolle rückwärts

Vom Bekenntnis zur Zuwanderung ist die Union längst abgerückt

Der Ministerpräsident war sich seiner Sache sicher: „Deutschland braucht Zuwanderung.“ Außerdem sei die Bundesrepublik längst ein Einwanderungsland. Deshalb, so der saarländische CDU-Liberale Peter Müller, kann es heute nicht mehr um die Frage gehen: „Zuwanderung – ja oder nein?“ Sondern nur noch um die Frage: „Zuwanderung – geregelt oder ungeregelt?“

Viele mögen solche Einsichten für selbstverständlich halten. Für die Union waren Müllers Erkenntisse ziemlich neu. Nach sechzehn Jahren ausländerpolitischem Stillstand unter Kohl schien sich die CDU, von der Regierungsdisziplin befreit, mit der bundesdeutschen Wirklichkeit vertraut zu machen. Die Union schien in der Opposition einfach mal das Fenster aufzumachen. Das war im September 2000 – und ist schon lange, lange her.

Denn es war einfach zu verlockend, das rot-grüne Zuwanderungsgesetz abzulehnen – obwohl etliche Unionsforderungen dort eingearbeitet wurden. Auch Peter Müller klingt heute anders als vor eineinhalb Jahren. Das Gesetz berücksichtige „das nationale Arbeitsmarktbedürfnis“ nicht. Dabei ist es gerade in dieser Frage restriktiv. In der Union herrscht wieder das alte Vokabular: der Ausländer als Sozialschmarotzer und Arbeitsplatzkonkurrent.

Auch von Brandenburgs CDU-Innenminister Jörg Schönbohm, von dem am 22. März im Bundesrat alles abhängen wird, hört man vertraute Töne. Am Dienstag sprach er von „Zuwanderungsdruck“ und Asylmissbrauch. Außerdem gebe es keine Gründe, „den Anwerbestopp für ausländische Arbeitnehmer aufzuheben“. Dann aber gibt es in der Tat keinen Grund für ein Zuwanderungsgesetz. Denn das macht nur Sinn, wenn es Migration gibt, die man will.

Die Union scheint mit der Idee eines Patriotismus- und Ausländerwahlkampfs zu liebäugeln. Roland Koch gab gestern in Bild die Richtung vor: „Liebe zum Vaterland“ und Durchsetzung „deutscher Interessen“ liegen ihm am Herzen. Koch hat Erfahrung mit populistischen Wahlkämpfen: 1999 gewann er mit der Kampagne gegen den Doppelpass gegen Rot-Grün in Hessen. SR

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