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„Wir stehen dazu“

Kein Ausstieg aus dem Atomausstieg – Stromwirtschaft will gar nicht, was Kanzlerkandidat Stoiber vermutet

BERLIN taz ■ Allen Spekulationen zum Trotz: Die Deutsche Stromwirtschaft will auch im Falle eines Regierungswechsels am Atomausstieg festhalten. „Wir sind eine vertragliche Verpflichtung eingegangen, und zu dieser stehen wir“, erklärte Günter Marquis, Präsident des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) gestern in Berlin.

Marquis räumte ein, dass der Vertrag zum Atomausstieg die deutsche Stromwirtschaft schmerze. „Wir halten den Atomkonsens unter wirtschaftlichen und umweltpolitischen Aspekten für problematisch“, so der VDEW-Präsident. Die deutschen AKWs seien klimafreundlich. „Werden sie abgeschaltet, müssen konventionelle Kraftwerke ihre Leistung ersetzen.“ Diese würden jährlich 170 Millionen Tonnen Kohlendioxid produzieren und so das deutsche Klimaschutzziel gefährden. Das sei jedoch Sache der Bundesregierung, die den Atomaussieg gewollt habe. „Wir müssen uns dem Primat der Politik unterordnen.“

Angefacht hatte die Diskussion um einen Ausstieg aus dem Ausstieg Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) und die Energie Baden-Württenberg (EnBW). Der viertgrößte deutsche Stromkonzern – Betreiber der AKWs in Phillipsburg, Neckarwestheim und Obrigheim – hatte am Wochenende erklärt, mit der nächsten Bundesregierung über den Ausstieg reden zu wollen – zumal es „keine vernünftige Alternative zur Kernenergie gibt“, wie Gerhard Goll, EnBW-Vorstand, erklärt hatte. Und Stoiber, der die Fehler seines Vorgängers gern korrigieren will, nahm diesen Ball umgehend auf. „Ohne die Kernkraftwerke sind die Klimaschutzziele nicht erreichbar, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat“, erklärte der Unions-Kandidat. Im Falle seines Sieges würde der Konsens aufgekündigt.

Was also, wenn eine andere Regierung ein neues Primat aufstellt? Marquis wies gestern alle Spekulationen zurück: „Bei so einem komplizierten Thema darf es kein ‚rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln‘ geben.“ Mit dem Atomausstieg der rot-grünen Regierung sei ein langfristiger Prozess eingeleitet worden. Dieser könne nur theoretisch von einer neuen Regierung in Frage gestellt werden. Marquis: „Das aber wäre nicht gut.“

Eigentlich war Marquis gestern angetreten, um mehr Liberalisierung der Märkte in Europa zu fordern. Und auch die EnBW hatte eine andere Tagesordnung: Sie stellte ihr Ergebnis für 2001 mit einem Überschuss von 271,9 Millionen Euro vor – 51,5 Prozent mehr als im Vorjahr. NICK REIMER

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