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Müllverbrenner ruiniert Kölns SPD

Schmiergeld und Steuerhinterziehung: Staatsanwaltschaft vermutet, dass beim Bau einer Kölner Müllverbrennungsanlage 14,5 Millionen Euro illegal geflossen sind. Seitdem der Chef des Unternehmens geplaudert hat, sieht die Kölner SPD blass aus

aus Köln PASCAL BEUCKER

Deutschlands größtes Müllentsorgungsunternehmen Trienekens könnte der SPD in Köln den endgültigen Abstieg bescheren. Seit Wochenbeginn häufen sich die Hinweise, dass der Müllentsorger die Sozialdemokraten geschmiert hat. Und vielleicht nicht nur diese.

Denn der spektakuläre Abgang des bisherigen Kölner Ratsfraktionschefs, Landtagsabgeordneten und Präsidiumsmitglieds der nordrhein-westfälischen SPD, Norbert Rüther, steht offenbar im Zusammenhang mit einem Treffen der Kölner Staatsanwaltschaft mit Firmenchef Hellmut Trienekens am vergangenen Freitag. Nach Angaben von Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt habe der 63-Jährige in dem Gespräch „einige Steuerdelikte zugegeben“. Näheres verbiete das Steuergeheimnis.

Aus Unternehmenskreisen hieß es, der 63-Jährige versuche derzeit mit Justiz- und Finanzbehörden „eine Verständigung“ herbei zu führen. Bei Rüther hat dies anscheinend die Alarmglocken läuten lassen: Nur einen Tag danach bestellte der starke Mann der Kölner SPD seinen Parteichef Jochen Ott zu sich nach Hause. Dort teilte er der 27-jährigen sozialdemokratischen Nachwuchshoffnung knapp mit, er habe in den 90er-Jahren Geld eines Großspenders entgegengenommen. Einen Teil der mindestens 340.000 Mark soll er häppchenweise an den Parteischatzmeister Manfred Biciste weitergegeben haben. Wer der großzügige Spender sei, wolle er allerdings nicht sagen.

Am Montag ließ dann Rüther über seine Anwälte mitteilen, er trete von allen politischen Ämtern und Parteifunktionen zurück und aus der SPD aus (die taz berichtete gestern). Seitdem ist er auch für seine nun ehemaligen Parteifreunde nicht einmal mehr telefonisch zu sprechen. Aber für die Staatsanwaltschaft. Eine Vernehmung zur Spendenpraxis der Kölner SPD und zum Komplex Müllverbrennungsanlage Köln werde „in wenigen Tagen“ stattfinden, sagte Appenrodt zur taz. Dann habe der Politiker seine parlamentarische Immunität verloren.

Die Aussagen des 51-Jährigen könnten Licht ins Dunkel der Affäre bringen, die nicht nur in Köln für Aufregung sorgt. Denn die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Mitte 2000, ob im Zusammenhang mit dem Bau einer 500 Millionen Euro teuren Müllverbrennungsanlage (MVA) im Kölner Stadtteil Niehl in den 90er-Jahren Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe gezahlt und Steuern hinterzogen worden sind. Eine anonyme Anzeige hatte sie auf die Fährte gebracht.

Die staatlichen Rechercheure vermuten, dass rund 14,5 Millionen Euro für Scheingeschäfte erst an Schweizer Briefkastenfirmen und dann in die Taschen von Beteiligten geflossen sind. Insgesamt sollen sich die Ermittlungen wegen Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung, Untreue und Steuerhinterziehung gegen rund dreißig Beschuldigte richten.

Und es werden immer mehr. Erst vor wenigen Tagen waren die Trienekens-Zentrale in Viersen und 17 weitere Objekte durchsucht worden. Zudem wurden der Generalbevollmächtigte des Bauherrn, Sigfrid Michelfelder, sowie der frühere Geschäftsführer der Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft Köln (AVG) verhaftet. Dem Ex-AVG-Manager und Sozialdemokraten Ulrich Eisermann wird vorgeworfen, mit 8 Millionen Mark aus dem Schweizer Schwarzgeldkuchen bedient worden zu sein. Die AVG gehört zu 51,1 Prozent den Kölner Stadtwerken und zu 49,1 Prozent dem Müllmulti Trienekens. Außerdem wurde die Immunität des Frechener SPD-Landtagsabgeordneten Hardy Fuß aufgehoben, der als Geschäftsführer einer Tochterfirma von Trienekens tätig ist. Auch er steht im Verdacht, Schmiergelder angenommen zu haben.

Doch die bisherigen Ermittlungsergebnisse könnten nur die Spitze des Eisbergs sein. Das jedenfalls vermuten die Kölner Grünen. Die politischen Beschlüsse zu der Niehler Müllverbrennungsanlage, des wohl umstrittensten Bauprojektes der letzten 20 Jahre in Köln, seien „oftmals sachpolitisch nicht nachvollziehbar gewesen“, konstatiert Fraktionsvizechef Jörg Frank – und sie seien immer in einer großen Koalition von SPD und CDU gefällt worden. „Offenbar mag es auch andere Motive dafür gegeben haben“, so Frank. Vielleicht kann Norbert Rüther hier für Aufklärung sorgen.

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