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„ ,Integrationspaket‘ ist ein Euphemismus“

Theresia Stoisits, Menschenrechtssprecherin der österreichischen Grünen, sieht in dem Gesetzentwurf vor allem Vorteile für die Wirtschaft

taz: Wie gefällt Ihnen der Integrationsvertrag?

Theresia Stoisits: Ich fange mit dem Positiven an. Bisher muss jemand, der fünf Jahre legal im Lande ist, seine Beschäftigungsgenehmigung alle fünf Jahre erneuern. Das soll jetzt nicht mehr so sein – schließlich gibt es einen entsprechende Richtlinienentwurf der EU. Ansonsten enthält das Paket unter dem Slogan „Integration vor Neuzuzug“ keine Integrationsmaßnahmen, sondern Hemmnisse bei der Aufenthaltsverfestigung wie z. B. die Zwangsverpflichtung zum Deutschkurs. Und man suggeriert den Österreichern, dass es die Probleme die es beim Zuzug von Ausländern gibt, künftig nicht mehr geben wird.

Das Erlernen der Sprache ist doch eine Integrationsmaßnahme.

Ja, aber die Art und Weise, wie die Regierung das präsentiert, ist kontraproduktiv. Eine Zwangsverpflichtung mit Sanktionen entbehrt jedes pädagogischen Sinns. Man sieht ja, wo es Kurse gibt, werden die sehr gut angenommen.

Ist ein umfangreicheres Maßnahmenpaket diskutiert worden?

Der Name Integrationspaket ist ein Euphemismus. Das Paket besteht in erster Line darin, dass die Wirtschaft flexibel auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen kann, indem man etwas schafft, was es in Österreich bisher nicht gab, nämlich befristet beschäftigte Fremde. Und das mit allen negativen Implikationen, die der Zuzug von Ausländern mit sich bringt. Wie Wirtschafts- und Arbeitsminister Bartenstein gesagt hat: „Die Integration dieser Menschen ist explizit nicht erwünscht.“ Das ist das Gastarbeitermodell der 60er-Jahre: Was ihren Status als Fremde angeht, sind sie vollkommen rechtlos. Sie werden ausschließlich auf der Ebene der Arbeitskraft bewertet. Die Vision von den Baracken für marokkanische Erntearbeiter in Spanien ist nicht so fehl am Platz.

Auch in Deutschland ist das Schily-Paket ja nicht identisch mit dem Vorschlag der Zuwanderungskommission.

Bei aller Kritik am Schily-Paket: Es sagt, Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das fehlt bei uns völlig. Die Deutschen haben sich Fachleute geholt, die eine Diskussiongrundlage geliefert haben. In Österreich haben sich [Innenminister] Strasser und [FPÖ-Fraktionschef] Westenthaler geeinigt.

Zukünftige demografische Probleme bleiben unberücksichtigt?

Völlig unberührt. Was auch außer Acht gelassen wird, sind die Gegenwartsprobleme: Wie verhindere ich Missbrauch, etwa bei den Scheinadoptionen? Offenbar gibt es in Österreich Leute, die jemanden adoptieren, um ihm eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen. Das Fremdengesetz sagt jetzt: Ausländer, deren Adoption „vom Gericht nicht hätte bewilligt werden dürfen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf diese Adoption berufen“. Als Juristin frage ich mich: Was ist das Rechtsgut, das geschützt wird? INTERVIEW: RALF LEONHARD

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