piwik no script img

PP – Pestalozzi Positiv

■ Das Schulzentrum Pestalozzistraße hat ein künstlerisches Wohlfühlprojekt gegen die Gewalt unter Jugendlichen begonnen. Selbstbewusstsein ist der Schlüssel zum Frieden

„...Auf dem Schulhof sind wir Brüder und Schwestern, und wir wissen: Diese Leute von gestern, die fühlen sich hässlich und klein, sonst wären sie nicht gemein...“

Vier Schüler der Klasse 8a stehen vor den Mikros und rappen für ihre Schule Pestalozzistraße. Sie haben eine Woche Zeit, ihren selbstgeschriebenen Song zu proben, bevor er für die Schul-CD aufgenommen wird. Die vier fühlen sich weder hässlich noch klein. Ganz im Gegenteil: Sie sind stolz auf sich. Ein Zeichen dafür, dass es funktioniert, das Fan-Projekt „Wir sind die Schule“. Gemeinsam mit dem Verein zur Förderung der kulturellen Breitenarbeit, Quartier e.V., wird es an der Schule Pestalozzistraße noch bis zum 22. März durchgeführt.

Fan des Ortes zu sein, an dem Klassenarbeiten geschrieben und vertrauliches Schwätzen mit der Nachbarin gerügt werden, erscheint auf den ersten Blick paradox. Auf den zweiten sogar ungesund für die Schülerseele. Mit dem dritten Blick sollte man sich die Aktion aber genauer ansehen. Denn tatsächlich ist das, was in der Pestalozzistraße seit einigen Wochen mit Erfolg geprobt wird, ein Gewaltpräventionsprojekt. Über kreative Tätigkeiten soll bei den SchülerInnen eine Stärkung des Selbstwert- und des Gemeinschaftsgefühls erreicht werden. Denn bekanntermaßen ist derjenige, der sich in seiner Haut wohl fühlt, weniger aggressiv. Ziel des Gewaltpräventionsprojektes ist es also, aus den Jugendlichen „Fans“ ihrer eigenen Schule zu machen. Während dieses Prozesses soll die individuelle Identität gestärkt und aus dem Schatten geholt werden. Dazu gehört auch die öffentliche Präsentation des Projektes am Ende der Aktion.

Insgesamt wurden sieben Hauptschulklassen für das Projekt ausgewählt. Deren SchülerInnen haben seit dem 4. Februar jeweils eine Woche lang die Wahl, sich entweder an der Mal-, Musik- oder Zeitungsgruppe zu beteiligen. „Wichtig für den Erfolg des Projektes war es, den Schülerinnen und Schülern eine angstfreie Arbeitsatmosphäre zu schaffen,“ erklärt Elke Priess vom Quartier. Die Werkstätten sollten deshalb nicht von den Lehrern geleitet werden. Statt dessen engagierte Priess „echte Profis“: Sie holte eine Sängerin, einen spanischen Maler und zwei Studenten der Bremer Hochschule für Künste ins Boot. „Auf diese Weise rückt die Sache selbst und nicht die Leis-tung des Schülers in den Vordergrund“, ergänzt Priess. Dem Einzelnen werde es dabei frei überlassen, wie er sich einbringt. Ähnlich sieht das der Maler Antonio Velasco Muñez: „Ich spiele weder den Akademiker, noch fordere ich einen Picasso von ihnen. Mir geht es vielmehr darum, die Schüler in ihrer kulturellen Identität wichtig zu nehmen.“ Die Methode zieht: Mit dem berühmt-berüchtigtem Schwänzen haben die Projektleiter überhaupt keine Probleme. Statt-dessen werden sogar die sonst heiß ersehnten Pausen durchgearbeitet. „Es ist erstaunlich, wie die Schüler teilweise aufblühen“, sagt Priess.

Kein Wunder also, dass es bereits jetzt ein ziemlich buntes Ergebnis gibt: An den Wänden des Musikraumes kleben unzählige Rap-Texte, im Malraum warten Unmengen von Postkarten darauf, gedruckt zu werden, und die ersten T-Shirts mit Schulmaskottchen wurden schon auf einer Modenschau präsentiert. Berge von Kreativität, die teilweise auch im eigens eröffneten Fan-Shop erhältlich sind. Gemeinsam ist allen Gegenständen das Element der freien Selbstdarstellung und der positive Bezug, der dadurch zur Schule hergestellt wird. So ließ Muñez seine Gruppen zum Beispiel drei Räume gestalten und erklärte sie symbolisch zur kleinen Traumwelt der Schule.

Beatrice Kleinert

Die öffentliche Präsentation findet am 21. Februar um 17 Uhr in der Schule Pestalozzistraße statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen