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Erziehung für säumige Väter

Private Anwaltskanzlei soll unterhaltspflichtige Eltern aufspüren. Stadt schießt 22 Millionen Euro vor  ■ Von Kaija Kutter

Das Rathaus wurde schon ges-tern für den heutigen Empfang zum Internationalen Frauentag mit Gittern versperrt. Die Gewerkschafts-Frauen von ver.di haben aus Protest gegen die Kürzungen bei Frauenprojekten ihre Teilnahme an dem Empfang bereits abgesagt. Da kann Frauen- und Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) positive Schlagzeilen gut gebrauchen.

Daher verkündete sie gestern vor der Presse, sie tue nun etwas gegen Väter, die sich um den Unterhalt für ihre Kinder drücken wollen. Ab dem 1. Juli wird die private Anwaltskanzlei Seegers und Partner (KSP) im Auftrag der Stadt deren Schulden eintreiben. „Bei uns geht keine Akte verloren“, verspricht KSP-Chef Christian Seegers. Die Anwaltskosten übernehmen die säumigen Väter oder – wenn die Suche erfolglos bleibt – die Stadt zu einem Gebührensatz, der, so Seegers, „an der unteren Grenze des Zulässigen liegt“.

Zur Zeit gibt es rund 14.000 Fälle von unterhaltspflichtigen Eltern – zu 90 Prozent Väter –, für die das Jugendamt Geld vorstreckt, worauf jedes Kind bis zum 12. Lebensjahr für maximal sechs Jahre Anspruch hat. Von den 22 Millionen Euro gelang es den Jugendämtern, nur 3,8 Millionen zurück zu holen. Ein Teil der Väter ist anerkanntermaßen zu arm. Rund ein Drittel aber versucht, seine Einkommenssituation zu verschleiern oder taucht ab, um einer Prüfung zu entgehen.

Wenn diese Väter künftig nicht binnen vier Wochen dem Jugendamt ihr Einkommen offenlegen, bekommen sie Post von KSP. Seegers: „Inkasso bedeutet Eskalation. Erst kommt eine Mahnung, dann die zweite, bis hin zur gerichtlichen Pfändung.“ Sein Büro arbeite mit „virtuellen Akten“ und könne so die Zeiträume zwischen einzelnen Schritten sehr kurz halten.

KSP hat den Auftrag zunächst nur für eine Pilotphase von einem Jahr. Diese Befristung, so Schnieber-Jastram, sei nötig, weil es für die noch unter Rot-Grün geplante Vergabe keine öffentliche Ausschreibung gab. Sie wolle aber jetzt „ein Zeichen an die Väter setzen“ und nicht zusätzlich Zeit verlieren.

An der Fremdvergabe an die Kanzlei hatte es im Vorwege Kritik von ver.di und Personalräten gegeben. So kann es zum Schutz des Kindeswohls nötig sein, auf die Eintreibung von Unterhaltsschulden zu verzichten – beispielsweise, wenn der Kontakt zum Vater sonst ganz abbricht. Es sei, so betonte Schnieber-Jastram, mit KSP ein „Info-Management“ vereinbart, auf das die Behörde jederzeit Zugriff habe: „Wenn im Einzelfall Handlungsbedarf besteht, kann das Jugendamt die Eintreibung jederzeit stoppen.“

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