: „Der Preis muss runter“
Teuer ist Digitalradio immer noch. Aber mit etwas Glück kennen es jetzt wenigstens die Fachhändler. Und auf UKW gibt es bald Digi-Radio-Werbespots. Es braucht Zeit, vertröstet Vermarkter Helwin Lesch
Seit einem Jahr gibt es die Initiative Marketing Digitalradio (IMDR), die dafür sorgen soll, dass die Hörer den digitalen Rundfunk (DAB) wollen, die Sender digital senden, und es auch im Kaufhaus Digitalempfänger gibt. Kein leichter Job, denn digital Radiohören kann man in Deutschland schon seit 1995 – nur längst nicht jeden Sender. Bisher wurden auch lediglich rund 15.000 Digitalempfänger verkauft, UKW-Radios gibt es fast 150 Millionen in Deutschland. In dieser Woche wurde in Köln der Einzelhandel mit neuen Geräten vertraut gemacht. Auch Helwin Lesch, Geschäftsführer der Bayern Digital Radio GmbH, hat dort die Werbetrommel geschlagen.
taz: Gibt es denn mittlerweile schon ein Digitalradio unter 400 Euro?
Helwin Lesch: Nein, das ist ungefähr die Größenordnung, in der sich das abspielt. Der Aufpreis für ein UKW-Radio mit dem Zusatzfeature Digitalempfang liegt bei 100 bis 150 Euro. Das sind hochklassige Autoradios oder mittelklassige Stereoanlagen.
Hat das digitale Radio bei diesen Preisen Zukunft?
Der Preis muss mit Sicherheit runter. Das ist das Ziel der Programmanbieter, das ist das Ziel der Senderbetreiber und der Elektroindustrie. Die Chips werden immer kleiner und billiger. Das ist wie beim Taschenrechner: Als es den ersten gab, hat bei uns zu Hause – da war ich noch in der Schule – extra der Familienrat getagt.
Aber weder der Taschenrechner noch der CD-Player – mit dessen Einführung Digitalradio oft verglichen wird – haben eine Marketinginitiative gebraucht. Warum kommt DAB, das es ja schon seit 1985 gibt, nicht voran?
Digitalradio braucht die Programme und die Infrastruktur – es muss also Musik rauskommen. Und nach Möglichkeit neue Musik, Spartenprogramme, die es so noch nicht gibt. Um Hersteller, Programmmacher und Infrastruktur zusammenzubringen, dafür braucht es eine gemeinsame Initiative.
Aber Einzelne verweigern sich. Der Hessische Rundfunk etwa sagt: Wir senden so lange nicht digital, bis es billige Geräte gibt. Die Hersteller sagen, sie können erst billig produzieren, wenn es viele Hörer gibt.
Das ist das alte Henne-Ei-Problem. Mit den Rundfunkgebühren zahlt jeder für die Verbreitung der Digitalprogramme. Ich bin mir sicher, dass die Kollegen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten, die der Geschichte noch ein bisschen skeptisch gegenüberstehen, das Geld bald zweckentsprechend verwenden und dass die Programme dann kommen. Aber es gibt ja auch private digitale Sender, in Hessen zum Beispiel FFH. In Bayern kommt die Mehrzahl der neuen Programme von Privaten. Wir hatten da vor einiger Zeit einen großen Zulauf von Taxifahrern, die alle DAB-Radios kaufen wollten, weil es einen Volksmusiksender gibt, der bisher nur über Kabel zu empfangen war und den wir terrestrisch übertragen haben. Und Taxifahrer hören offensichtlich gerne Volksmusik. Also: Es ist ein hoher Bedarf an Spartenprogrammen vorhanden.
Bisher wurde für DAB immer mit den Zusatzfunktionen Bilder und Daten geworben, machen Sie das jetzt nicht mehr?
Doch, das sind schon die entscheidenden Zusatznutzen. Aber da reden wir von den nächsten 50 Jahren – so viel hat UKW jetzt auf dem Buckel, so lange hält ein Hörfunkstandard. Die Entwicklung nach oben ist offen.
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, für mehrere Dienste einen gemeinsamen Standard zu benutzen, zum Beispiel DAB mit DVB-T, dem Digitalfernsehen, zu kombinieren?
Fernsehen zu produzieren ist ja sehr teuer und braucht deshalb ein sehr großes Verbreitungsgebiet, um rentabel zu sein. Es ist aber eine Stärke des Radios, die lokale Nähe zu haben. Außerdem ist ein DVB-T-Empfänger halt ein Fernsehempfänger. Und der müsste nun eine unglaubliche Menge an Daten auswerten, um dann 98 Prozent gleich wieder wegzuschmeißen und nur noch Radio auszuspielen. Das ist unökonomisch und entspricht auch nicht den Hörgewohnheiten. Radio wird vor allem unterwegs genutzt: Es ist überall da und darf nichts kosten.
Lange Zeit kursierte das Jahr 2015 als Abschalttermin für den analogen Rundfunk. Ist der jetzt vom Tisch?
Ein Ziel muss man sich schon setzen. Denn wenn wir die Verbraucher im Glauben lassen, dass sie mit ihren Analogradios immer weiterempfangen können, dann bleiben sie auch dabei. Wir müssen also kommunizieren: Ein zukunftssicheres Gerät gibt es nur, wenn es auch digital empfangen kann. Der Mehrpreis von 100 Euro pro Gerät wird noch nach unten gehen. Wir haben uns das Ziel gesetzt, dass 2010 die überwiegende Radionutzung digital erfolgt.
Wenn nun alle Werbung nichts nützt, werden die UKW-Sender dann irgendwann einfach abgeschaltet, und die Leute müssen neue Digitalradios kaufen?
Nein, das geht mit Sicherheit nicht! Die Umstellung ist ein langsamer Prozess, er muss verbraucherfreundlich erfolgen – die Leute haben ja darauf vertraut, mit ihren Radios analog empfangen zu können. Wir gehen davon aus: Je attraktiver Digitalradio ist, desto schneller werden sich die Hörer dafür entscheiden. Das ist ein selbst verstärkender, suksessiver Prozess. Dann kann man irgendwann anfangen, die – übrigens sehr teuren und energieaufwändigen – analogen Sender vom Netz zu nehmen. Aber das sind Zeiträume, das erleben wir vielleicht gar nicht mehr.
INTERVIEW: MARKUS MÜNCH
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