press-schlag: Warum Bayern wieder Meister wird
Dreitagebärte und volle Hosen
„Die Borussia aus Dortmund besteht aus einem Haufen Hosenscheißer.“ Wer darf denn so was sagen? So was darf einer sagen, der schwarz-gelb liebt, seit er einen Fernsehkasten bedienen kann. Geliebt hat. Seit diesem 5. Mai 1966 im Hampden Park, als sich das aufrechte Häuflein derer von der Kampfbahn „Rote Erde“ den scheinbar unschlagbaren Liverpoolern in den Weg stellte, bis zum Hals im schottischen Schlamm. Vergessen. Geschenkt. Der Blick geht auf die heutige Borussia, die Hosenscheißer-Borussia.
Warum Hosenscheißer? Ein Hosenscheißer ist einer, der keinen Mumm hat. Und nicht nur das. Wenn der Hosenscheißer wenigstens zu seiner mickrigen Ausstattung an Mut und Chupze stehen würde, könnte man zumindest anerkennend sagen: „Das ist einer, der steht dazu …“ Der typische Vertreter der Gattung ist aber nicht so, die, die Fußball spielen, schon gar nicht. Ganz im Gegenteil: Die reißen bei schönstem Sonnenschein und wenn sich alles ideal und glücklich fügt, weit die Mäuler auf und loben sich und die Ihren, dass es weithin schallt. Wenn aber die kalten Winde heulen, wenn gar nichts klappt und das Hohngeschrei von der Tribüne weht, dann wird der Fußball spielende Hosenscheißer in kürzester Zeit stumm und still und klein und hässlich.
Also: raus mit denen! Doch das ist leicht gesagt. Wenn es sie denn überhaupt gibt als Personen, dann kann man sie auswechseln, und alles ist gut – oder zumindest besser. Was aber, wenn sich die Mannschaft in ihrer Gesamtheit in die Hosen scheißt, so wie es die momentane Borussia derzeit tut, wenn es eng wird? Dann müssen die altgedienten Recken ran und es richten. Normalerweise. Aber wer soll das bei der Borussia tun? Lehmann etwa? Kann der das Wort „Charakter“ überhaupt schreiben? Reuter? Wörns? Ricken? Zum Lachen! Kohler? Der war mal einer der besten Innenverteidiger der Welt, mittlerweile ist er aber schwer damit beschäftigt, den zukünftigen Funktionär zu mimen. Rosicky und Metzelder sind zu jung. Und Kehl? Na ja, anderes Thema. Bleibt Billy Reina – und der ist meistens verletzt. Zusammengefasst: Diese Mannschaft hat kein Herz.
Früher hatte sie eins, das hieß Matthias Sammer. Den gibt es immer noch, aber er sitzt jetzt an der Außenlinie und nagt an den Fingernägeln. Und versucht die Mannschaft aus der Ferne mit Herzblut zu versorgen. Besser als gar nichts? Zu wenig. Das ist, als würde einer seine Herz-Lungen-Maschine auf einem Wägelchen an einer Schnur hinter sich herziehen. Es reicht zum Überleben, aber ein so gespeister Organismus ist zu keinerlei großen Taten fähig. Kaum hört er die Worte „wichtige Phase der Meisterschaft“ oder „alles entscheidendes Spiel“, geht ihm auch schon die Luft aus. Darum das 1:1 gegen Pauli und das 0:0 gegen Lille und das 0:4 gegen Bayer.
Letztere ist die schlimmste aller Blamagen. Weil nämlich Leverkusen auch nichts anderes ist als eine Hosenscheißer-Mannschaft, wie man am vorvergangenen Mittwoch in London gesehen hat. Da kamen elf Bayer-Profis mit breiter Brust daher – und ließen sich dann brav den Arsch versohlen, bereitwillig und von der ersten Minute an. Nur nicht wirklich ran an einen wie Sol Campell! Sich nur nicht blamieren gegen einen wie Henry. Nowotny? Ballack? Haben sofort den Schwanz eingezogen. Herr Ballack meint wohl, wenn er sich nicht rasiere, dann sei das schon die halbe Miete. Oder wenn er gegen Köln passabel spielt. Dem ist nicht so. Große Spieler müssen mit oder ohne Drei-Tage-Bart gut und mutig spielen. Gerade im Highbury-Park und im Olympiastadion zu München. Da sind die Spieler zu Hause, die erst richtig wach werden, wenn es eng wird. Kahn! Effenberg! Solche Typen! Wer gegen die zuverlässig verliert, wird am Ende der Saison mit leeren Händen dastehen. Und mit vollen Hosen.
ALBERT HEFELE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen