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Inszenierter Geheimnisverrat

PDS-Fraktionsvize Wolfgang Gehrke plaudert nach vertraulichem Gespräch mit Scharping aus, was der Verteidigungsminister über den Einsatz der KSK-Kräfte in Afghanistan preisgegeben hat. Der Verrat bringt wenig neuen Erkenntnisgewinn

„Spezialaufklärung und Zugriff auf Taliban-/Al-Qaida-Kämpfer“

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Die DIN-A4-Plastikmappe ist blau, das Deckblatt transparent. Neben dem Briefkopf des Bundesverteidigungsministeriums steht „VS – Nur für den Dienstgebrauch“. Es handelt sich um Informationen über den Einsatz von Rudolf Scharpings geheimster Truppe, der Spezialkräfte der Bundeswehr. Der PDS-Fraktionsvize Wolfgang Gehrke wirft der Regierung vor, es mit der Geheimhaltung zu übertreiben. „Ich nehme mir das Recht, eine eigene Abwägung vorzunehmen“, sagt er und hält die Mappe in die Kamera. Dann zitiert er aus dem Auftrag der Spezialkräfte.

Es handelt sich um eine gezielte Provokation. Knapp eine Stunde vorher noch saßen Gehrke und die Obleute der anderen Parteien aus dem Auswärtigen und dem Verteidigungsausschuss bei Scharping im Ministerium. Seit Tagen wirft die Opposition der Regierung vor, Informationen über den Einsatz der KSK im Osten Afghanistans zu selektiv an das Parlament weiterzugeben. Die rot-grüne Regierung bestreitet die Vorwürfe und hat wie zum Beweis zweimal zum Briefing geladen: zusätzlich zum Scharping-Termin gestern Vormittag will Bundeskanzler Gerhard Schröder am Montag die Partei- und Fraktionsvorsitzenden aufklären – bisher inklusive Gabi Zimmer und Roland Claus von der PDS. Der Inhalt der Unterrichtungen sollte wiederum so geheim bleiben, dass sich Scharpings Sprecher vor der Bundespressekonferenz nicht mal zu den behandelten Themen äußern wollte.

Gehrke dagegen kritisiert: „Es gibt nicht zwei Arten von Abgeordneten: solche, die informiert werden müssen, und solche, die nicht informiert werden müssen.“ Deshalb lasse er sich nicht von Scharping vorschreiben, sein Wissen für sich zu behalten – zumal der Minister kaum relevante Auskünfte gegeben habe.

Erstmals ist jetzt allerdings offiziell die Mission der Spezialkräfte bekannt geworden. In der Mappe heißt es: „Auftrag: Spezialaufklärung und Zugriff auf Taliban-/Al-Qaida-Kämpfer, deren Infrastruktur sowie Versorgungs- und Fluchtwege“. Nach Gehrkes Aussage hat Scharping überdies erklärt, das Oberkommando über die Einsätze liege bei den Vereinigten Staaten. Der Abgeordnete argumentiert deshalb, „deutsche Soldaten machen sich strafbar“, wenn sie Gefangene an die USA ausliefern, wo ihnen die Todesstrafe droht. Die PDS will darum in der kommenden Woche in der Fragestunde des Bundestages wie in einer eigenen aktuellen Stunde detaillierte Auskünfte über die Einsätze in Afghanistan. Der Bundestagsbeschluss nehme selbst KSK-Operationen nicht von der Auskunftspflicht der Regierung aus.

Gehrkes öffentlich inszenierter Geheimnisverrat hat jedenfalls keine neuen Geheimnisse zutage gefördert. Auch der FDP-Obmann Jürgen Koppelin bemängelte nach Scharpings info-armer Morgenrunde: „Ich habe nichts Neues mitnehmen können.“

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