: Kohl bleibt unter Verschluss
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet zugunsten des früheren Bundeskanzlers: Stasiakten bleiben weiter der Öffentlichkeit unzugänglich. Gericht stellt Opferschutz in den Vordergrund
BERLIN dpa ■ Die von der Stasi über den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) gesammelten Akten dürfen nicht veröffentlicht werden. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte gestern in Berlin ein entsprechendes Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts vom Sommer vergangenen Jahres. Damit hat sich Kohl in einem seit zwei Jahren währenden Streit mit der Stasi-Unterlagen-Behörde auch in letzter Instanz durchgesetzt. Die Stasi hatte auf etwa 7.000 Blättern zum großen Teil rechtswidrig erlangte Informationen über Kohl gesammelt. 2.500 Blätter davon hielt die Stasi-Unterlagen-Behörde für veröffentlichungswürdig.
Der Vorsitzende Richter des 3. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichtes, Hans-Joachim Driehaus, sagte in der kurzen mündlichen Urteilsbegründung, der Gesetzgeber habe dem Opferschutz Vorrang eingeräumt. Informationen über Personen der Zeitgeschichte dürften nicht herausgegeben werden, wenn sie Betroffene oder Dritte sind. Der Opferschutz sei der „unmissverständlich zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers“. Nach Auffassung von Driehaus ist nicht zu befürchten, dass durch dieses Urteil der Zweck des Gesetzes, nämlich die Aufklärung der Stasivergangenheit, ernsthaft gefährdet ist.
Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugunsten von Helmut Kohl bedauert. Sie führe zu einem empfindlichen Rückschlag für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte, sagte sie nach der Urteilsverkündung. Unterlagen von Amtsträgern und Personen der Zeitgeschichte könnten nur noch mit ausdrücklicher Einwilligung herausgegeben werden. Die Folge des Rechtsstreites sei, dass viele Unterlagen wertlos würden. „Ich habe Mühe, die Entscheidung zu verstehen“, so Birthler.
In der mündlichen Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter Driehaus bereits den Verweis auf die bisherige Behördenpraxis als „von nicht durchschlagender Argumentationskraft“ zurückgewiesen.
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