: Ahnung von Kindersklaverei? Nicht die Bohne
■ Protest vor der Milka-Plane: Auch Kraft Foods soll von billiger Kinderarbeit profitieren / Kraft Foods dementiert
„Versklavte Kinder ernten Kakao für Milka“ – die Vorwürfe, die eine Hand voll Demonstranten gestern vor der lila Plane am Rathaus gegen den Bremer Lebensmittel-Multi Kraft Foods erhob, sind starker Tobak. Zigtausende von Kindern, oft kaum zehn Jahre alt, würden in Westafrika mit falschen Versprechungen von zuhause weggelockt und vor allem in der Elfenbeinküste unter sklavenähnlichen Bedingungen zur Arbeit auf den Kakao-Plantagen gezwungen, behaupten die ProtestlerInnen. „Auch Kraft Foods ist an diesem Skandal mit beteiligt“, ist Mitorganisatorin Dietlind Rinke überzeugt.
„Es ist schwierig, ein einzelnes Unternehmen an den Pranger zu stellen“, sagt hingegen Claudia Berker, bei terre des hommes Sprecherin der Kampagne gegen Kinderhandel. Denn die Handelswege zwischen den oftmals kleinen Erzeugern und den Großabnehmern der Branche sind verschlungen. Wessen Kakao wo unter welchen Bedingungen erzeugt wurde, weiß so genau niemand. Grundsätzlich stellt aber weder terre des hommes noch Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, die Existenz des Kinderhandels und der Kindersklaverei auf den Kakaoplantagen speziell der Elfenbeinküste in Frage. Unicef geht davon aus, dass die Zahl der faktisch als Sklaven auf den Kakao-Feldern eingesetzten Kinder im fünfstelligen Bereich liegt. „Die Kinder werden nicht zuletzt wegen des extremen Preisdrucks eingesetzt“, weiß Berker.
Die Bremer Zentrale von Kraft Foods Deutschland hingegen wiegelt ab: Hinweise auf Kindersklaverei auf den Plantagen lägen nicht vor, erklärte der Konzern bereits letztes Jahr. Eine Garantie, dass die von ihm zu Schokolade verarbeiteten Kakaobohnen kindersklavenfrei erzeugt würden, gab Kraft bisher jedoch nicht ab. „Wir kaufen den Kakao auf dem Weltmarkt ein, nicht bei den einzelnen Erzeugern“, rechtfertigt Öffentlichkeitsmitarbeiter Stefan Lütgens das Unwissen des Multis. Wegen der langen Kette von Zwischenhändlern könne man schlicht nicht nachvollziehen, von welcher der unzähligen kleinen Plantagen die Bohnen letztlich kämen. Lütgens ist sich aber sicher: „Das Thema ist nicht geeignet, da vor dem Rathaus was zu tun.“
Doch die Schlagzeilen über die menschenverachtenden Zustände auf den Kakao-Plantagen haben die Branche alarmiert. So versprach auch der europäische Süßwarenverband bereits Ende November letzten Jahres, „in Richtung auf das Ziel der Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit und der Zwangsarbeit im Kakaoanbau“ mit verschiedenen anderen Kakao-Verbänden zusammen zu arbeiten. Konkreteres ist bisher nicht bekannt geworden. Lütgen: „Wir sind natürlich nicht in der Lage, hier eine Kontrolle bis zum Ursprung vom Zaun zu brechen.“
Kraft sieht in erster Linie die Regierungen der westafrikanischen Staaten in der Pflicht. Barbara Küppers, Referentin für Sozialstandards und Kinderarbeit bei terre des hommes, widerspricht: „Die Unternehmen müssen endlich Verantwortung übernehmen“, fordert sie. Neben Selbstverpflichtungen zur Einhaltung von Mindeststandards müssten die Schoko-Konzerne sich auch an der Rehabilitation der zur Zeit ausgebeuteten Kinder beteiligen. Vor allem aber müssten sie die Herkunft ihrer Bohnen überwachen. „Man kann sicher herausfinden, wo die Zwischenhändler ihre Ware her beziehen“, ist sie überzeugt. Das sei schließlich auch in der Textil- und Teppich-Branche inzwischen möglich. Und nicht nur dort, wie Wolf Kropp-Büttner, Geschäftsführer der Bremer Schokoladenfabrik Hachez, bestätigt: „Wir wissen schon, woher unser Kakao kommt.“ Wer sicher sein wolle, dass der Kakao für seine Schokolade nicht von Kindersklaven geerntet wurde, solle auf die Siegel für fairen Handel achten, empfiehlt Küppers. Deren Richtlinien schließen Kindersklaverei definitiv aus.
Die schweren Vorwürfe gegen die Bremer Vorzeige-Firma, deren Banner seit Monaten das Rathaus schmückt, haben indes auch die Oberen der diesjährigen Unicef-Partnerstadt Bremen nicht unberührt gelassen. Um „alles zur Aufklärung beizutragen“ hat Senats-Sprecher Klaus Schloesser Vertreter der Demonstrierenden und von Kraft Foods für Donnerstag zu einem Gespräch eingeladen – hinter die Milka-Plane.
hoi
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen