: Schweigen zu Polizeiübergriff
■ Senat hebelt Anfragerecht der Bürgerschaftsabgeordneten aus. Justizamt wittert Verfassungsbruch der Innenbehörde
Hinter den Kulissen knallt es gewaltig. Weil die Innenbehörde sich weigert, Stellung zu einem von der taz veröffentlichten Polizeiübergriff auf eine junge Afro-Deutsche am Aschermittwoch zu nehmen, wirft ihr die Justizbehörde einen offenen Bruch der Hamburger Verfassung vor.
Der Hintergrund: Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Aydan Özoguz hatte zu dem Polizeiübergriff auf die 20jährige Asha H. eine Kleine Anfrage an den Senat gestellt. Sie wollte wissen, ob und warum von den Beamten Gewalt gegen die Frau ausgeübt wurde und diese sich auf der Polizeiwache entkleiden musste. Die von der Innenbehörde verfasste Senatsantwort verweigert jedoch „aufgrund der derzeit laufenden Ermittlungen“ jede inhaltliche „Stellungnahme“. Der Rest ist Schweigen.
Die schriftliche Nullnummer aber „verstößt gegen die Antwortpflicht des Senats“, heißt es in einem internen Schreiben des Justizamtes. Die Behörde bezieht sich dabei auf den Artikel 25 der Hamburger Verfassung, nach dem der Senat verpflichtet ist, Kleine Anfragen innerhalb von acht Tagen zu beantworten. In dem Behördenschreiben heißt es wörtlich: „Es gibt keinen Grundsatz, dass eine Antwort allein deshalb verweigert werden darf, weil ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist.“
Eine Antwortverweigerung zu laufenden Strafverfahren ist allerdings dann ausnahmsweise möglich, wenn aus ermittlungstaktischen Gründen die Staatsanwaltschaft eine Veröffentlichung von Informationen für bedenklich hält. Diese stellt in einem internen Schreiben zu der Anfrage auch eindeutig klar: „Dies zu entscheiden ist Sache der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens.“ Im gleichen Papier betont die Ermittlungsbehörde jedoch, dass sie „in die Beantwortung der Kleinen Anfrage von Seiten der Behörde für Inneres nicht eingebunden worden“ ist, folglich niemand eine Antwortverweigerung anordnen konnte.
Für den SPD-Innenexperten Michael Neumann geht die Verletzung der Auskunftspflicht „an die Grundfeste des Rechtsstaats“. Zudem schade „die mangelnde Transparenz dem Ansehen der Polizei, weil Vorwürfe sich so verfestigen“. Gemeinsam mit seiner Bürgerschaftskollegin Aydan Özoguz formulierte er gestern eine neue Anfrage an den Senat, in der nach den Hintergründen für die rechtlich bedenklichenInformationsblockade gefragt wird. Özoguz reichte zudem eine zweite Anfrage zu dem Polizeiübergriff ein, unter dem süffisanten Hinweis, dass offensichtlich nicht alle zuständigen Behörden in die Beantwortung der ersten Anfrage eingebunden waren.
Marco Carini
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