piwik no script img

Wohl zu gut für diese Welt

■ Wie ein junger Mann eine alte Frau um viel Geld erleichterte

Insgesamt acht dicke Bären ließ sie sich aufbinden und musste teuer dafür zahlen: Innerhalb von nur zwei Monaten entlockte ein 33-jähriger Mann einer alten Frau mehrere zehntausend Mark. Dafür musste er sich jetzt vor dem Bremer Amtsgericht verantworten.

„Schamlos ausgenutzt hat er mich“, aufgeregt wendet sich die Frau an den teilnahmslos vor sich hinguckenden Angeklagten. „Warum stehst du nicht zu dem Mist, den du getan hast? Du bist doch ein Mann!“ Doch der steht auch in der Verhandlung nicht dazu und bestreitet bis zuletzt seine Schuld.

Die 75-jährige meint es besser zu wissen. In allen Einzelheiten erzählt sie dem Richter von den angeblichen Geldforderungen. „Ich habe mich nie getraut, irgendjemand davon zu erzählen“, sagt sie. Man hätte ihr doch ohnehin nur gesagt, dass sie nicht ganz bei Trost sei. Doch, bei Trost war sie. Insgesamt 34.000 Mark hat sie für den Angeklagten abgebucht. Immer in dem Glauben, dass sie das Geld zurückbekommen würde.

„Von einem großen Computergeschäft in Tokio hat er mir erzählt“, erklärt die Frau dem Richter. „Irgendwann habe ich mich dann gewundert, warum er nicht wiederkehrt.“ Die Begründung kam per Telefon: Inmitten japanischer Skylines will den vermeintlich Reisenden die Tropenkrankheit Gelbfieber überfallen haben. „Ein anderes Mal erzählte er mir, dass ihn die Russen-Mafia jagt und er Geld braucht, damit er in Amerika untertauchen kann.“ Dass sie ihn am nächsten Morgen beim Supermarkt um die Ecke traf, machte sie zwar etwas stutzig. Doch den Glauben an diesen Menschen gab die alte Frau nicht auf. „Er hatte doch unserem Chorleiter das Leben gerettet“, sagt sie etwas hilflos. So jemand könne doch niemandem etwas Böses wollen. Wie er dem Chorleiter das Leben gerettet habe, will der Richter wissen. „Indem er den Alkohohl weggeschüttet hat“, erklärt die Frau. Der Chorleiter sei doch Alkoholiker gewesen.

Wie sich denn die Geldabsprachen zugetragen hätten, interessiert den Staatsanwalt. „Meistens tauchte er plötzlich auf. Wie aus dem Nichts und flehte mich an, dass er wieder Geld bräuchte“. Ob ihr das denn nicht etwas seltsam erschien und unheimlich war. „Doch, natürlich hatte ich Angst. Aber ich bin Krankenschwester. Und als Krankenschwester möchte man immer helfen. Das ist mein Problem.“ „Das kann sein“, mehr fällt dem Richter dazu auch nicht ein.

Wenn nicht der Sparkassenmitarbeiter schon vorher nachgehakt hätte, wäre das Hin und Her wahrscheinlich bis zum restlosen Erschöpfen ihrer Sparkonten weiter gegangen. Anschaulich erzählt der Bänker dem Gericht, wie er die alte Frau beiseite nahm und sie dazu brachte, ihm die seltsamen Gründe für die häufigen Abbuchungen zu erzählen. „Daraufhin habe ich den Weißen Ring eingeschaltet“, ergänzt der Mann. Der Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern habe sich dann des Falles angenommen und ihn vor das Bremer Amtsgericht gebracht.

Das hatte einige Mühe mit der Aufklärung des Falles. Es war für alle Parteien schwer nachvollziehbar, dass die 75-jährige die Lügengeschichten tatsächlich geglaubt hatte und betrogen wurde. Nach acht Stunden Verhandlung war der Richter jedoch überzeugt, dass die Frau dem jungen Mann vertraut hatte. Der Richter erklärte den Bärenaufbinder daher des achtfachen Betruges schuldig und verurteilte ihn zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung. Außerdem muss er drei Jahre lang jeden Monat 30 Euro an die betrogene Frau zahlen. Beatrice Kleinert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen