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kommentarMehr Entwicklungshilfe heißt nicht gleich bessere Entwicklungshilfe

Deutschland will seine Entwicklungshilfe erhöhen. Die meisten EU-Länder wollen das auch, sie werden nächste Woche beim UN-Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung in Monterrey höhere Entwicklungshilfe fordern. Der Grund? Es gibt Armut auf der Welt, und Armut nährt Terror. Die Anschläge vom 11. September und ihre Folgen haben bewirkt, was die vielen Konflikte der Dritten Welt nie erreichten: Die reichen Länder der Welt sehen das Schicksal der armen Länder endlich als ihr Problem an.

 Das ist ja sehr löblich. Befremdlich an der Debatte ist nur, dass die Lösung des Problems offenbar schon darin besteht, dass es benannt wird: mehr staatliche Entwicklungshilfe eben. Ignoriert werden die Aussagen von Experten, die seit 20 Jahren darauf hinweisen, in welchem Ausmaß Korruption und Verschwendung die Entwicklungshilfe prägen. Für die Politik gilt: Wenn auf einem Etatposten Hilfe draufsteht, ist auch Hilfe drin.

 Im Falle Deutschlands ist das nicht verwunderlich. Die grundsätzliche Kritik an der Entwicklungshilfe wuchs in der Ära Kohl (1982 bis 1998) und passte vielen Neoliberalen ins Konzept. Rot-grüne Politiker verteidigten die staatliche Entwicklungszusammenarbeit gegen Kürzungswünsche. Sie führten Fehlgriffe in der Entwicklungshilfe auf die Besetzung des zuständigen Ministeriums durch die CSU zurück; sie versprachen, alles besser zu machen. Die notwendige Reflexion blieb aus. Dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Ruanda vor 1994 problemlos parallel zur Vorbereitung eines Genozids stattfand, war nie Gegenstand einer grundsätzlichen, offenen Selbstkritik. Als die taz aufdeckte, dass Unsummen deutscher Entwicklungshilfe an die Elfenbeinküste in die Taschen von Reichen flossen, gab es bei den Grünen lautstarken Protest – nicht gegen die Zustände, sondern gegen ihre Enthüllung, die als Munition für Kürzungen im Entwicklungshilfehaushalt gesehen wurde. Später stellte die EU ihre Zusammenarbeit mit dem westafrikanischen Land wegen Korruption ein. Jetzt erwirken rot-grüne Entwicklungspolitiker unter dem Deckmantel des Krieges gegen Terror wohlfeile Haushaltszusagen. Die Diskussion, was sie eigentlich Sinnvolles mit mehr Geld anfangen wollen und wer darüber zu entscheiden hat, führen sie nicht. DOMINIC JOHNSON

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