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Der Zusammenhalt der Showleute

An der Volksbühne setzte Christoph Schlingensief die aktuelle TV-Quiz-Manie als ein weiteres Seventies-Trash-Revival in Szene. Was bei Günther Jauch der beste Freund ist, den man in der Not anruft, besorgten bei „Quiz 3000“ „Promijoker“ wie Rolf Eden

von DETLEF KUHLBRODT

Auf einem Podest vor der Volksbühne stand ein grüner Mercedes, kein neues Modell, aber sauber: der Preis, den der Hauptgewinner von Christoph Schlingensiefs neuer Produktion „Quiz 3000: du bist die Katastrophe“ nach Hause mitnehmen würde. Das Auto schien so leicht wehmütig für die 70er-Jahre zu stehen, als ein Mercedes noch eine Million wert war, fortschrittliche Kreise dessen Sterne sammelten, James Last auf Sylt war, Rudi Carrell „Am laufenden Band“ machte und die RAF ihren politischen Existenzialismus; Rot und Orange dominierten und die Grünen kamen erst später. Vieles von dem, was Christoph Schlingensief macht, ist mit den 70er-Jahren-in-den-Augen-eines-Teenagers verbunden, der die Dinge in einem wirren Nebeneinander wahrnimmt, der sich nicht weniger an Christian Anders und Ingrid Steeger abarbeiten muss (deshalb die Tränen) als an Alexander Kluge und Andreas Baader.

Irgendwann am Freitagabend sagte Christoph Schlingensief, die 70er-Jahre würden wiederkommen, nicht als Farce und sowieso nicht als dasselbe, sondern als Wiederholung, die das Wiederholte erst ganz wirklich macht, wie das Wort „Rosebud“, das dem Sterbenden seinen Frieden schenken möchte. Die Quizmania ist ein Seventies-Revival.

Alles wieder noch einmal. Radikale Grüppchen, entschiedene Praxiswünsche. „Ficken für den Frieden“ und Helga Goetze, die auch mit dabei war, durchaus souverän. Vielleicht waren die 70er die Hoch-Zeit der Quizsendungen. Bis weit in die 90er hatte man Abstand vom Ratespiel genommen, und seitdem rätselt es wieder in Strömen, und wenn man sich das Wort „Quiz“ länger anschaut, guckt es ziemlich schnell ziemlich seltsam zurück.

Günther Jauch gilt als klügster Mensch Deutschlands. Bildungsratetrash gibt’s auf vielen Kanälen. Manchmal knurren die billigeren KandidatInnen komisch, wenn sie die richtige Antwort gaben und Gott sagt, es war gut so. Bildungstrash ist Teil eines Systems, in dem die dümmsten Verbrecher, Frauen, Autofahrer mit den klügsten Lehrern Deutschlands (nach Jauch am Samstag) Fang den Hut spielen, und vor der Werbung sagt die normalotrashmäßige Moderatorin: „Nach der Werbung werden hier 14 Lehrerinnen zu sehen sein. Dazu möchte ich Sie wieder vollzählig im Klassenzimmer versammelt sehen.“

Früher warst du Chance und wähltest dich selbst; nun bist du die Katastrophe als Bewegungsprinzip und sorgst für Unterhaltung im Klassenzimmer des Lebens: als Philosophie studierender Kandidat, der gegen den Rat des Publikums und gegen die mimisch-gestischen Empfehlungen von Schlingensief = Jauch darauf tippt, dass Nordkorea nicht zur „Achse des Bösen“ gehört, sondern Afghanistan, als Zuschauer vor dem TV, der die Antwort weiß, aber eben nicht an dem Ort ist, an dem dies Wissen Sinn und Bedeutung hat, als Promijoker Rolf Eden in der Volksbühne. Was der beste Freund bei Jauch ist, den man anruft, wenn man nicht mehr weiterweiß, der vor seiner Antwort immer sagt, aber du wirst auch noch mit mir sprechen, wenn meine Antwort wichtig war, ich bin da ja kein Experte, ist der Promijoker bei Schlingensief, der neben andren Promijokern (Helga Goetze usw.) im schalldicht fensterlosen Container sitzt und nicht weiß, was er mit den andren Promis reden soll (Schlingensief sollte man ja auch mal gemacht haben, denkt es im Promi wohl), und dann kommt die Frage: „Welcher Talkmaster erhielt Geld aus Reihen der CDU, um Parteimitgliedern keine kritischen Fragen zu stellen. A: Johannes B. Kerner, B: Sandra Maischberger, C: Klaus Bresser, D: Erich Böhme?“ Der alte Frauenfreund zierte sich, sonnenbankbraun im Gesicht. Nein, er könne sich ja überhaupt nicht vorstellen, dass einer von denen. – Es gebe da aber Aussagen von zwei Redakteuren, das sei alles wasserdicht, also Johannes B. Kerner. – Nein, nein, das kann ich nicht glauben, auch dass ein Kollege das erzählen würde. Denn: „Die Showleute halten alle zusammen. Immer!“ Das war der Effekt, den man hatte haben wollen, der Satz, der als Satz Korruption bestätigte, wo er sie abstritt. Würdevoll und vielleicht auch ein bisschen traurig ging dann Rolf Eden wieder.

Über einiges ließe sich reden, etwa Fragen nach der Größe von Stehzellen in Auschwitz oder danach, ob aus den Haaren der Häftlinge Teppiche oder Rasierpinsel gemacht wurden oder ob Penisverholzungen und -verkrümmungen lustig sind und was das dann heißen würde, auch in Bezug auf das fraglose Holocaust-Mahnmal, in dem die Details der Vernichtung verwandelt sind; oder ob Quiz eine gute Form der Volksbildung ist. Oder ob man vielleicht eine Quizpartei gründen sollte. Im Spannungsfeld dieser Fragen stand der bunte Abend, für dessen ordnungsgemäßen Ablauf OSta Dietrich Kuhlbrodt sorgte und der mit einem von Schlingensief gesungenen Lied von Rocko Schamoni ausklang. Der Pförtner war begeistert. Es wurden 9 Euro für ein Kinderheim in Afghanistan gesammelt und die Volksbühne legte noch einmal den gleichen Betrag drauf.

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