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Anleger fordern Rechtsschutz

Aktienkauf ist keine Spekulation – nicht mal am Neuen Markt. Der Ombudsmann für Versicherungen empfiehlt der Allianz AG, einem Anleger die Deckung des Prozessrisikos durch die Rechtsschutzversicherung zu gewähren

„Wegen fehlerhafter, unterlassener oder verspäteter Ad-hoc-Mitteilungen börsennotierter Unternehmen erlitten zahlreiche Anleger erhebliche Verluste“, weiß Klaus Rotter. Der Münchener Anwalt ist auf Wertpapier-Anlagerecht spezialisiert. Doch weigert sich manche Rechtsschutzversicherung, so seine Erfahrung, die Kosten für Schadensersatzklagen von Aktionären gegen Unternehmen und deren Vorstände zu tragen, namentlich unter anderem Arag, Roland und Concordia.

Anleger gegen Allianz

Verweigert wurde der Rechtsschutz auch durch die Allianz Versicherungs AG. Rotter hatte deshalb „im Namen eines geprellten Aktionärs“ durch die EM.TV und Merchandising AG Beschwerde beim Ombudsmann für Versicherungen, Wolfgang Römer, eingelegt. Der empfiehlt: „Der Beschwerdeführer hat einen Anspruch auf Gewährung des Rechtsschutzes.“ Nur eine „Empfehlung“ kann Römer deshalb aussprechen, weil die Verfahrensordnung dieser freiwilligen Schlichtungsstelle zwischen Versicherungswirtschaft und Versicherten bei einem Beschwerdewert über 5.000, aber unter 50.000 Euro nicht verbindlich entscheiden, sondern nur „unverbindlich empfehlen“ kann, so Rotter. Er gehe dennoch davon aus, dass der Ombudsmann hier „ein Zeichen setzt“ mit „weit reichenden Auswirkungen“. Römer ist schließlich Branchenkenner: pensionierter Richter am Bundesgerichtshof und dort zuständig gewesen für das Versicherungswesen.

Die Empfehlung werde nach Rotters Auffassung die hier kritisierte Allianz „bewegen, dem zu folgen“. Denn klage man vor einem Bundesgericht, davon ist der Anwalt überzeugt, würde dort so entschieden, wie es der Ombudsmann empfahl.

In seinem dreiseitigen, eng beschriebenen Empfehlungsschreiben entkräftet Römer jede von der Allianz vorgebrachte Begründung. Das Unternehmen hatte zunächst versucht, eine Entscheidung des Ombudsmannes zu verhindern, indem es die Beschwerde als unzulässig einstufte, weil sie nicht innerhalb der geforderten acht Wochen nach ihrer Stellungnahme eingereicht worden sei.

Unverschuldet später

Dies zu erwidern ist für Römer indes eine leichte Übung: Unzulässig seien nach der Verfahrensordnung nur Beschwerden, die „schuldhaft nicht innerhalb von acht Wochen eingereicht“ werden. Hier aber sei die Verspätung unverschuldet. Römer: „Acht Wochen nach abschließender Stellungnahme konnte die Beschwerde nicht eingereicht werden“, weil da der Ombudsmann „seine Tätigkeit noch nicht aufgenommen hatte.“

Bedingungen unklar

Im Folgenden bescheinigt Römer der Allianz einige sprachliche Unklarheiten in deren Rechtsschutzbedingungen (ARB 94). Rechtsschutz, so sinngemäß, bestehe den Bedingungen zufolge nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen „aus dem Recht der Handelsgesellschaften“. Eine Ausschlussklausel, die, so Wolfgang Römer, „eng auszulegen“ sei. So handele es sich hier nicht um Interessen aus dem „Recht mit Handelsgesellschaften“. Denn Zweck dieser Regelung sei, dass „die Masse der Versicherungsnehmer“ davor bewahrt werden solle, „kostenträchtige und risikoreiche Streitigkeiten einer Minderheit über die Beiträge mit zu finanzieren“, also beispielsweise den vor Gericht auszutragenen Zank innerhalb der Runde von Gesellschaftern einer Handelsgesellschaft. Die „Kapitalanlage durch Erwerb von Aktien ist heute aber keine Angelegenheit mehr von Minderheiten“, sie führe auch nicht zu einer „gesellschaftsrechtlichen Gebundenheit im Sinne der Ausschlussregelung“. Es gehe hier aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers „um Fragen der Kapitalanlage und nicht um das Recht der Handelsgesellschaften“.

Auch eine weitere Vertragsklausel erkannte der Ombudsmann für diesen Fall als nicht zutreffend. So sei demnach Rechtsschutz ausgeschlossen, wenn der Versicherte Interessen wahrnehmen wolle, die „in ursächlichem Zusammenhang mit Spiel- oder Wettverträgen sowie Termin- oder vergleichbaren Spekulationsgeschäften“ stehen. Die Allianz meinte, so das Schreiben des Ombudsmannes, das Anlagerisiko sei „im vorliegenden Fall dem eines Termingeschäftes gleich zu achten“, und der Erwerb von Aktien sei „generell spekulativ“. Aber, so erwidert Wolfgang Römer, auch „ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer“, auf dessen Verständnis es bei der Auslegung dieses Risikoausschlusses ankomme, verstehe „zumindest heute den Kauf von Aktien nicht in der Weise als spekulativ, wie es Termingeschäfte oder Wetten“ seien. „Das gilt – jedenfalls für den damaligen Zeitpunkt – selbst für den Erwerb von Aktien, die am Neuen Markt gehandelt wurden“, so Römer. Ob das Augenzinkern bei diesem Satz gewollt oder ungewollt ist – das weiß man bei einem Richter nie so genau. ANDREAS LOHSE

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