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Lückenschluss im Grünen

Zersiedelung der Marsch schreitet voran. BUND fordert neues Planrecht  ■ Von Gernot Knödler

Ein Häuschen im Grünen, in lauschiger Umgebung und dann noch in Hamburg – von diesem Ziel träumen so viele, dass der Umweltverband BUND findet, es sei an der Zeit, die Notbremse zu ziehen. Denn die jetzige Rechtslage öffnet Bauwilligen reichlich Spielraum, ihre Wünsche durchzusetzen. Um die Marsch durch vermeintliche „Lückenschlüsse“ nicht zu einer einzigen Vorstadt von Hamburg werden zu lassen, fordert der BUND-Vorsitzende Harald Köpke, der Senat müsse „den Wildwuchs beenden“ und die Jahrhunderte alte Kulturlandschaft schützen.

Das Problem entstand durch die weitläufige landwirtschaftliche Nutzung der Marsch. An den Deichen entlang verteilen sich die Häuser der Bauern und Gärtner und seit vielen Jahren zunehmend auch von Leuten, die nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben. Die Besiedlung ist extensiv, mit zum Teil großen Lücken zwischen den Gebäuden. Bebauungspläne, die Art und Maß der Bebauung festlegen, und mit denen ein Großteil Hamburgs überzogen ist, gibt es hier oft nicht. Das heißt Bauanträge müssen anhand der Paragraphen 34 und 35 des Baugesetzbuches entschieden werden.

Der Teufel steckt dabei in der Abwägung, ob nach Paragraph 34 ein „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ vorliegt, ergo gebaut werden darf, oder nach Paragraph 35 ein „Außenbereich“, wo Neubauten nur ausnahmsweise zulässig sind. „Wenn ein Bauer heute clever ist“, sagt Köpke, „setzt er ein Altenteil in eine 100-Meter-Lücke und schon gilt das als im Zusammenhang bebaut.“

Es handele sich in der Tat um eine schwierige Situation, räumt der Harburger Rechtsdezernent Dierk Trispel ein. „Die Fälle, bei denen wir meinen, es lohne sich zu kämpfen, da vertreten wir das auch so“, versichert er. Die Verwaltung sei jedoch des Öfteren bei dem Versuch, Lückenschlüsse zu verhindern, vor dem Verwaltungsgericht gescheitert.

„Wir beobachten, dass die Gerichte sehr bürgerfreundlich urteilen“, sagt auch der Bergedorfer Baudezernent Volker Hempel. Wolle man das nicht akzeptieren, müsse eine andere rechtliche Grundlage in Form von Bebauungsplänen geschaffen werden. Das sei allerdings sehr zeitaufwendig. „Wir sind so eine winzige Abteilung“, sagt Hempel, „wir können diesen Berg an Aufgaben nicht stemmen.“

Dazu kommt, dass die Bezirksversammlungen, die die Bebauungspläne verabschieden, nicht immer im Sinne des Natur- und Landschaftsschutzes entscheiden. „Die Wähler gehen auf die Barrikaden“, sagt Hempel. Denn die Gartenbaubetriebe in den Vier- und Marschlanden stünden unter Druck. Um gegen die niederländische Konkurrenz bestehen zu können, müssen sie investieren. Dafür brauchen sie Eigenkapital, und das lässt sich am einfachsten durch den Verkauf von Bauland mobilisieren. Dazu kommt, dass der Stadt nicht an der Abwanderung finanzstarker Steuerzahler gelegen ist, die in Hamburg keinen Bauplatz finden.

Trotzdem bleiben Bebauungspläne für BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch „das Mittel der Wahl“. Die Baubehörde müsse dafür Geld zur Verfügung stellen, so wie es die ehemalige Stadtentwicklungsbehörde in bescheidenem Umfang für Bergedorf bereits getan hat. Optimal sei diese Lösung jedoch nicht, weshalb der BUND schon seit langem die Einführung einer „mittleren Planungsebene“ fordert, die das Landschaftsprogramm detailscharf konkretisiert. Das Bundesnaturschutzgesetz, das Ende April in Kraft treten soll, schreibt nach Lesart des BUND solche Pläne sogar vor.

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