: Klimawandel taut Antarktis ab
Vom Packeis des kalten Kontinents löst sich das größte Stück seit dreißig Jahren. Klima erwärmt sich am Südpol besonders schnell. Vor allem im Osten der Antarktis tauen Eisschollen ab. Im westlichen Teil wächst offenbar das Packeis wieder
von KATHARINA KOUFEN
Eine riesige Eisscholle, doppelt so groß wie das Saarland, hat sich von der Antarktis gelöst. Das 220 Meter dicke und 720 Milliarden Tonnen schwere Stück Packeis zerbarst in tausende Stücke, immer noch mächtige Eisberge, die nun in der Amundsensee im Südpazifik treiben. Dies meldet das US-Zentrum für Schnee- und Eisdaten (NSIDC), ein Institut der US-Raumfahrtbehörde Nasa, welches die Satellitendaten auswertet.
Es handelt sich um die größte Scholle, die seit 30 Jahren abgebrochen ist. Der Brocken hieß Larsen B, ist mindestens 400 Jahre alt, existiert aber womöglich schon seit der letzten Eiszeit vor 12.000 Jahren.
Seit 1997 war bereits mehr als die Hälfte des Volumens dieses Giganten weggeschmolzen. Vor gut fünf Wochen begann die Scholle von der antarktischen Eisfläche abzubrechen.
Nach einer Theorie des Geologen Ted Scambos von der Universität Colorado brechen solche Riesenblöcke immer nach demselben Schema: Im Spätsommer bilden sich Schmelzwasserpfützen auf der Eisoberfläche. Diese sickern in Spalten und Risse und treiben das Eis auseinander. Einer anderen Theorie zufolge gefriert dieses Schmelzwasser im folgenden Winter erneut und sprengt die Spalten weiter auf. Forscher des NSIDC sehen in dem Ereignis eine Folge der Klimaerwärmung, die um den Südpol herum besonders schnell voranschreitet: Seit den Fünfzigerjahren stieg die Temperatur dort um ein halbes Grad pro Jahrzehnt. Im weltweiten Mittel wurde es dagegen in 100 Jahren bloß um 0,6 Grad wärmer.
Seit 1974 lösten sich sieben Eisschollen. Das macht 13.500 Quadratkilometer Fläche – in etwa fünfmal das Saarland. Weil ihnen festes Packeis fehlt, weichen einige Pinguinarten bereits in andere Regionen aus.
Der Meeresspiegel erhöhe sich durch das Auftauen des abgesplitterten Eises von Larson B nicht merklich, so das NSIDC. Doch generell könne die Loslösung solcher Eismassen das Abschmelzen der Gletscher auf dem antarktischen Kontinent beschleunigen. Denn Eisblöcke stützen die Gletscher und halten obendrein warme Winde ab.
Nicht alle Forscher fürchten ein Abschmelzen des Südpols. Ian Joughin, Wissenschaftler bei der Nasa, etwa meint, diese Gefahr bedrohe nur den Osten der Antarktis. Im westlichen Teil dagegen vergrößere sich das Packeis wieder: „Das Eis hat sich in den letzten paar tausend Jahren zurückgezogen. Wir denken, dieser Rückzug ist nun zu Ende.“
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