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Zulässig ohne Zulassung

Kassen müssen zahlen, wenn Medikamente jenseits ihrer Indikation eingesetzt werden – in Ausnahmefällen

KASSEL rtr/dpa/taz ■ Bei schweren Krankheiten müssen die gesetzlichen Krankenkassen künftig in Ausnahmefällen auch für Heil versprechende, aber zur Behandlung der Krankheit nicht zugelassene Medikamente zahlen. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel gestern in einem Grundsatzurteil entschieden.

Voraussetzung sei, dass es zur Behandlung der Krankheit keine andere Therapie gebe und das entsprechende Medikament Aussicht auf Erfolg verspreche. Wenn die Wirksamkeit eines Medikamentes erwiesen sei, dürfe es den Versicherten nicht vorenthalten werden, urteilte das BSG.

Anlass für die Entscheidung war der Fall eines Mannes, der an Multipler Sklerose leidet. Der 44-Jährige war mit einem Mittel behandelt worden, das nicht für Multiple Sklerose (MS) zugelassen ist. Die Kosten von rund 2.250 Euro pro Monat wollte seine Kasse nicht zahlen – zu Recht, wie das Bundessozialgericht in diesem Fall entschied. Die Wirksamkeit der Behandlung mit dem für MS nicht zugelassenen Medikament sei nicht erwiesen. Außerdem könnten andere Medikamente verwendet werden.

Schon jetzt ist es in vielen Bereichen der Medizin üblich, Medikamente jenseits ihrer Zulassung einzusetzen – Klinikärzte haben immer wieder darauf hingewiesen, dass dies gerade in der Kinderheilkunde üblich ist. „Wir müssen das tun“, sagte gestern der Direktor des Pharmakologie-Instituts an der medizinischen Hochschule Hannover, Jürgen Frölich, zur taz. Das Urteil des Gerichts begrüßte Frölich, warnte jedoch vor einer „Prozesslawine“ – die Kassen würden nun versuchen, die Zahl der zu bezahlenden „Ausnahmen“ zu begrenzen. Auf Dauer „führt kein Weg an der Errichtung eines unabhängigen Instituts für Therapiebewertung vorbei“, sagte Frölich. Nur so könnten die Erfahrungen mit Medikamenten jenseits des Zulassungsverfahrens ausgewertet werden. (Az.: B 1 KR 37/00 R) UWI

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