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Ver.di will in den Schwarzen Kanal

Die Dienstleistungsgewerkschaft will vom Potsdamer Platz an das Spreeufer ziehen. Dort aber befindet sich seit elf Jahren eine Wagenburg

Sie haben eine schöne Flusslage, die Bau- und Zirkuswagen und zu Wohnmobilen umfunktionierten LKWs an der Schillingbrücke. Gut zwanzig Menschen leben hier in Mitte direkt an der Spree. Seit elf Jahren existiert dort das Kultur- und Wohnprojekt Schwarzer Kanal e. V. Doch mit dem schönen Wasserpanorama könnte es bald vorbei sein. Die Wagenburgler sollen für die neue Bundeszentrale der Dienstleistungsgesellschaft Ver.di Platz machen.

„Irgendwann hingen da an dem Gerüst in alle vier Richtungen riesengroße Plakate mit einem Bild von dem geplanten Gewerkschaftshaus auf dem von uns bewohnten Gelände. Darauf stand, dass dieser Glaskasten bis 2004 gebaut werden soll“, erzählt Ule Stern, Mitglied des Schwarzen Kanals, als das Wohnprojekt die Nachricht bekam. „Na ja, mal ’ne andere Variante. Normalerweise kleben sie immer irgendwelche Zettel an die Wagen, wo draufsteht: ‚Bis dann und dann haben Sie zu verschwinden‘.“

Das war vor etwa sechs Wochen. Und ganz so einfach hinnehmen wollten die Wagenburgler die neuen Aussichten nicht. Ende Februar riefen sie zu einer Kundgebung zum Potsdamer Platz, vor dem jetzigen Sitz der Verdi-Zentrale. Auf einem Flugblatt hieß es, dass auf Gesprächsangebote vonseiten der Wagenbewohner bisher weder Ver.di noch die verantwortlichen Baufirmen oder das Bezirksamt eingegangen waren.

Diese Situation hat sich mittlerweile verändert. Der Bürgerverein Luisenstadt stellte aufgrund der Initiative der Wagenburgbewohner den Kontakt zur Gewerkschaft her. Es kam kurzfristig zu einem ersten Treffen, an dem der für den Neubau zuständige Projektleiter von Ver.di, Klaus Hummel, zwei Vertreterinnen des Schwarzen Kanals, der verantwortliche Architekt, Michael Kny, ein Vertreter der Grundstückseigentümer und zwei Mitarbeiter vom Bürgerverein Luisenstadt teilnahmen. Es endete hoffnungsvoll. „Man kann sagen, wir haben die Basis für ein Entgegenkommen geschaffen“, sagt Ver.di-Mann Klaus Hummel. „Beide Seiten haben signalisiert, an einer Übereinkunft interessiert zu sein und nicht an einer polizeilichen Räumung.“ Die Bewohner des Schwarzen Kanals bestätigen diese Aussage.

Laut Hummel will die Gewerkschaft in Absprache mit dem Bezirksamt Mitte den Wagenburglern ein Angebot über ein Ersatzgrundstück machen. „Wir hoffen auf ein Grundstück in der Nähe des jetzigen Standorts, in Spreenähe, vielleicht sogar mit besseren Bedingungen, als die Leute sie momentan haben. Auszuschließen ist ein Platz außerhalb Berlins.“ Darauf würden sich die Wagenplatzbewohner jedoch nicht einlassen. Sie würden am liebsten auf dem Platz bleiben, da sie sich hier eine gut funktionierende Infrastruktur geschaffen haben.

Deshalb pochen sie auf den Bebauungsplan von 1997, nach dem die Integration der Wagenburg in ein Bauvorhaben an der Schillingbrücke eingeschlossen sein soll. Der von Ver.di geplante Bau entspräche dem nicht. Ule Stern: „Deshalb ist es notwendig, einen Blick auf die Baupläne zu werfen, damit wir die Möglichkeit haben, Alternativvorschläge zu machen, die den Wagenplatz in irgendeiner Form integrieren könnten“.

Die nächsten gemeinsamen Gespräche sollen schon in den nächsten Tagen stattfinden, dann hoffentlich mit Verantwortlichen des Bezirksamts. Eile ist geboten: Das zuständige Architektenbüros Kny & Weber plant den Baubeginn der neuen Gewerkschaftszentrale noch für dieses Jahr. ANJA POLLER

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