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„Screening ist nur die Frage des politischen Willens“

■ Dr. Hans Junkermann, Leiter des Bremer Modellprojektes, nennt Anforderungen an ein flächendeckendes Mammographie-Screening, das Brustkrebssterblichkeit senken soll

Zwei Modellprojekte in Wiesbaden und Bremen haben mit den Untersuchungen von Frauen im Sommer 2001 begonnen. Während der Aufbauphase wurden erst fünf bis zehn Prozent der Zielbevölkerung eingeladen. Ergebnisse sind deshalb mit Vorbehalt zu beurteilen.

Wichtig ist die Akzeptanz der Einladung. Ein solches Einladungsmodell ist in Deutschland noch nicht erprobt worden. Eine Teilnahmerate nach den EU-Leitlinien kann bisher nicht angegeben werden, da die Einladungsrunde noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Dies wird erst im Mai 2005 der Fall sein. In erster Annäherung lässt sich jedoch schon sagen, dass sowohl in Bremen als auch in Wiesbaden rund 50 Prozent der Frauen die Einladung akzeptieren. Dies ist ein sehr ermutigendes Ergebnis.

Es zeigt sich, dass die Abwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes bei der mammographischen Untersuchung das Screening niedrigschwellig gestaltet und zu größerer Akzeptanz führt. Bei der Erstuntersuchung müssen die Frauen weder eine Scham- noch eine Autoritätsschwelle überwinden. Das Angebot zu weiteren Abklärungsuntersuchungen im Screening-Zentrum nehmen fast alle Frauen wahr.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass es durch die vorbereitenden Fortbildungsmaßnahmen und Umsetzung der EU-Leitlinien gelingt, von Anfang an eine hohe Qualität des Screening-Programms zu erreichen. Die Zahl entdeckter, kleiner Karzinome entspricht den (nach EU-Leitlinie für die erste Screening-Runde vorgegebenen) Standards, obwohl in Deutschland „graues Screening“ in großem Maße stattfindet. Wir erwarten, dass sich die Teilnahme am Screening in einer erniedrigten Sterblichkeit an Brustkrebs niederschlägt.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Qualitätssicherung alle Bereiche des Mammographie-Screenings umfassen muss. Dies gilt auch für die folgende Behandlung. (...) Ein wesentlicher Bestandteil der Qualitätssicherung sind die regelmäßigen Konsultationen unter den an der Behandlung beteiligten Ärzten und Mitarbeitern. Die Doppelbefundung mit Konsensbildung erfolgt unter Supervision eines besonders erfahrenen Befunders. Dieser Faktor trägt dazu bei, dass die guten Ergebnisse „aus dem Stand“ erreicht werden.

Die dokumentierte, durch die organisatorischen Maßnahmen geschlossene Diagnose- und Behandlungskette ist für die richtige Abklärung und Behandlung der überwiegend sehr kleinen Läsionen, die im Mammographie-Screening gefunden werden, unabdingbar. Ferner erfahren wir in Bremen, wie wichtig es ist, mit den Mitarbeitern eine offene und kollegiale Diskussion über die Qualität der eigenen Arbeit durchzuführen. Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen sind verbindlich und erfolgsorientiert.

Das 10-Punkte-Programm der Fachgesellschaften orientiert sich an dem in Deutschland üblichen Vorgehen in der ärztlichen Versorgung, welches sich aus den Erfahrungen mit kranken Frauen entwickelt hat. Es stellt den Arzt und seine Erfahrungen in der Diagnostik in den Vordergrund, statt den Fokus auf die gesunde Frau und die Mammographie als Früherkennungsmethode zu richten.

Aus vielen Gründen kann das 10-Punkte-Programm die EU-Leitlinien nicht erfüllen: So werden eine Reihe von zwingenden Vorgaben bezüglich Struktur und Pro-zessqualität in den 10-Punkten nicht berücksichtigt bzw. aufgeweicht. Beispiele sind: a.) fehlendes Einladungssystem zur Erzielung einer hohen Teilnahmerate; b.) Erstbefundung durch einen Nichtexperten statt Doppelbefundung aller Mammographien durch zwei Experten; c.) Stufenkonzept für die Weiter- und Fortbildung der Befunder ; d.) Fehlende Vorgaben für laufende Erfahrung in der mammographischen Früherkennung; e.) Stufenkonzept für Aus- und Fortbildung der MTRA; f.) Fehlende Vorgaben für die laufende Erfahrung der MTRA; g.) Keine Verpflichtung zur präoperativen histologischen Sicherung ; h.) Schnellschnittuntersuchung bei Läsionen unter 10 mm nicht verboten; i.) Keine Aussage zur Erfassung wichtiger Qualitätsparameter wie Intervallkarzinome und in der vorherigen Runde übersehene Karzinome; j.) Kein Hinweis auf die Notwendigkeit prä- und postoperativer multidisziplinärer Konferenzen. Stattdessen werden Forderungen erhoben, die für den Erfolg des Früherkennungsprogramms unerheblich sind: Anamnese- und Aufklärungsgespräch über Risikofaktoren ab dem 20. Lebensjahr; ärztliche Untersuchung der Lymphabflussgebiete; Berücksichtigung des Hormonstatus bei der Befundung. Auch der verpflichtende Besuch beim Frauenarzt ist eine hohe Hemmschwelle für die Teilnahme. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen liegt die Teilnahme am Krebsfrüherkennungsprogramm deutlich unter 50 Prozent. In den Modellprojekten ist jetzt schon erkennbar, dass ein Programm mit niedriger Hemmschwelle aus dem Stand eine höhere Beteiligung erreichen wird.

Statt eine maximale Qualität der mammographischen Untersuchung anzustreben, setzt das 10-Punkte-Programm auf eine Ergänzung der Mammographie durch Tastbefund und Sonographie. Der Wert dieser Untersuchungen bei asymptomatischen Frauen ist wissenschaftlich ungeklärt. Qualitätssicherungskonzepte für diese Methoden sind nicht einmal ansatzweise vorhanden. Es ist nicht nur unbewiesen, ob der Einsatz dieser Methoden zusätzlich zur qualitätsgesicherten Mammographie das Nutzen-Schadenverhältnis der Brustkrebsfrüherkennung verbessert. Es ist auch in höchstem Maße unwahrscheinlich, dass diese Methoden die Defizite von schlecht qualitätsgesicherter Mammographie ausgleichen kann.

Zur erfolgreichen Einführung des Mammograpie-Screenings gehört ein Stufenplan. Es muss ein Referenzzentren für die Ausbildung und externe Qualitätssicherung und ein Bewerbungsverfahren geben, das wie bei den Modellprojekten prüft, welche regionalen Institutionen die besten Voraussetzungen für erfolgreiches Screening bietet. Auch sind flankierende gesetzliche Regelungen bei Datenschutz und Krebsregistrierung nötig. Multidisziplinäre Kooperationen müssen vertraglich zwingend beschlossen werden.

Von Anfang an müssen EU-Leitlinien, wie in den Modellprojekten, zwingend umgesetzt werden. Sonst ist zu befürchten, dass teilnehmende Frauen nicht mit optimaler Qualität untersucht und behandelt werden. Qualitätsmängel könnten das Nutzen-Schaden-Verhältnis der Brustkrebsfrüherkennung ins Negative verschieben. Frauen aus negativen Erfahrungen die Konsequenz ziehen, dauerhaft nicht mehr am Screening teilzunehmen.

Screening ist im deutschen Gesundheitssystem durchführbar. Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung von qualitätsgesichertem Screening sind der politische Wille und die Ressourcen. Dann kann das Mammographiescreening erfolgreich flächendeckend eingeführt werden. Der Gewinn für die Frauen in Deutschland wird eine Verbesserung der Heilungschancen und die Verringerung der Sterblichkeit an Brustkrebs sein.

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