: Greencard-freie Zone
■ Bremen hält mit Greencards den Negativ-Record im Westen. Weil die Stadt ein weißer Fleck auf der IT-Weltkarte ist? Eine Analyse
Während das Zuwanderungsgesetz in die Ehrenrunde geht, lohnt sich ein Blick auf den Testlauf: die Greencard. Top oder Flop – diese Frage fordert vor allem regionale Antworten. Selten fallen sie so eindeutig aus wie für das Land Bremen: Ganze 26 der angeblich so heiß begehrten Arbeitserlaubnisse wurden im Lande vergeben. Weniger waren es nur in den strukturschwachen Sorgenkindern Mecklenburg-Vorpommern (16) und Sachsen-Anhalt (13), die auch aufgrund häufiger rassistischer Angriffe nicht gerade attraktiv für ausländische Spezialis-ten sind.
Bremen ist ja auch ein kleines Land, könnte man argumentieren, aber selbst damit es bei der Greencard-Ausgabe im Bundesschnitt läge, müssten hier schon 90 der bundesweit 11.230 IT-Fachkräfte beschäftigt sein. Gemessen an seiner Bevölkerung hat nur Niedersachsen weniger Greencards ausgegeben, ähnlich wie in Bremen sieht es dagegen in Schleswig-Holstein aus. Attraktiv ist offensichtlich als einziges Nordlicht Hamburg, wo bei dreimal so viel Einwohnern wie in Bremen immerhin siebenmal soviele Computerexperten aus dem Ausland anheuerten.
Wie also erklärt sich die zögerliche Nutzung der neuen Möglichkeiten im kleinsten Bundesland? „Die Verteilung der Zulassungen“, weiß man bei der Bonner Zentralstelle für Arbeitsvermittlung aus einem Monitoring-Bericht, „spiegelt weitgehend die Verteilung der IT-Branche wider.“
Liegt Bremen also mit seiner Dichte an IT-Firmen derart krass unter dem Bundesdurchschnitt? „Nein“, sagt Handelskammer-Sprecher Offenhäuser, die geringe Nachfrage nach ausländischen Spezialisten habe eher mit der Branchenstruktur zu tun. Die Bremer Unternehmen seien meist klein und könnten kaum das Mindestgehalt von 51.000 Euro im Jahr zahlen, das im Gesetz vorgeschrieben ist, um Lohndumping zu verhindern. „Das Interesse war am Anfang groß“, berichtet er, „aber die Einkommensgrenze war für viele ein K.O.-Kriterium.“ Klein aber fein: Vorteil der kleinen Unternehmen sei, dass sie weitgehend solide seien und spektakuläre Millionenpleiten bislang ausblieben.
Etwas deutlicher wird Ortwin Baum, Sprecher der Unternehmerverbände im Lande Bremen: „Wir haben in Bremen im IT-Bereich noch erhebliche Defizite.“ Deshalb habe man von vorn herein keine den Schrittmacherländern Bayern oder Baden-Württemberg vergleichbare Nachfrage nach ausländischen Computer-Experten erwartet. Allerdings sieht Baum die Branche in Bremen auf dem Wege eines gesunden Wachstums. Irgendwann hoffe man auch einen Bedarf wie in Süddeutschland zu entwickeln. „Deshalb ist es wichtig, dass wir bei der Zuwanderung zu einem Ergebnis kommen“, so der Arbeitgeber-Sprecher. Für die dürftigen Bremer Greencard-Zahlen hat er noch einen Erklärungsansatz: Wenn Großunternehmen wie Siemens in Bremen Spezialisten im Ausland anheuerten, würden die eventuell gar nicht in Bremen „verbucht“, da kaum ein Konzern mehr eine Zentrale in Bremen habe.
Oliver Wächter, 1. Vorsitzender des Vereins bremen multimedial, hat bestätigt, dass vor allem die Einkommensregel hinderlich gewesen sei: „Das ist vollkommen an der Praxis vorbei.“ Und gegenüber den USA mit ihrer unbeschränkten Arbeitserlaubnis stehe Deutschland im Wettbewerb um die besten Köpfe ohnehin schlecht da. Andererseits seien die etwa vom Branchenverband bitcom ausgerufenen Zahlen offener Stellen wohl „mit Vorsicht zu genießen“ gewesen.
Jan Kahlcke
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