: „Der Verbraucher kann heute schon alles wissen“
Wozu denn all die Hotlines: Lebensmittelindustrie torpediert neues Verbraucherinformationsgesetz. Export beschert 24 Milliarden Euro Umsatz
BERLIN taz ■ Eigentlich wollte Peter Traumann gestern nur positive Exportzahlen bekannt geben. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) nutzte die Gelegenheit aber, um Seitenhiebe in alle Richtungen auszuteilen. „Der Staat soll sich nicht in Fragen der Qualität einmischen“, forderte Traumann in Berlin – und griff damit das von Ministerin Renate Künast initiierte Verbraucherinformationsgesetz an. Was sei denn mit all den Hotlines, all den Internetauftritten? Nein, argumentierte Trautmann, „die Hersteller bieten schon heute mehr Informationen, als der Gesetzgeber verlangt“.
Mit dem Gesetzentwurf von Renate Künast soll der Verbraucher Informationen erhalten, die Lebensmittelämter, Gewerbeaufsicht und staatliche Veterinärmediziner über ein Produkt gesammelt haben. Ferner ermächtigt das Gesetz Behörden, aktiv vor Produkten zu warnen und Hersteller beim Namen zu nennen, die Grenzwerte nicht einhalten. Auch über Risiken, für die es keine Grenzwerte gibt, sollen Behörden künftig den Verbraucher informieren dürfen.
Der BVE hingegen zweifelt die Kompetenz der staatlichen Überwacher an. Traumann befürchtet einen Informationsmissbrauch durch Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace und Verbraucherschutzverbände. „Negative Informationen werden in der Regel als Warnung aufgefasst“, sagt der Verbandspräsident, und bereiteten so einem Unternehmen Probleme.
Doch der BVE benörgelte nicht nur Künasts Entwurf: Die offene Debatte zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln sei positiv. „Was wir erreichen wollen, ist, dass man die grüne Gentechnik kritikfrei diskutiert“, erklärte Traumann. Damit sich nach der „kritikfreien“ Debatte gentechnisch veränderte Lebensmittel in „Deutschland und Europa am Markt bewähren“.
Die heute schon vorgeschriebene Kennzeichnung auf den Verpackungen verstehe kein Verbraucher. Traumann kündigte eine große Offensive an, die heutzutage auch gern als Wahlprüfstein bezeichnet wird. Ziel: Der Entwurf des Verbraucherinformationsgesetz soll weiterverwässert werden. Massiv ging die Ernährungsindustrie auch gegen die Förderung biologisch erzeugter Lebensmittel vor. „Wenn man den Eindruck vermittelt, Biolebensmittel seien sicherer und gesünder, dann ist das einfach falsch“, behauptete der BVE.
Bei aller Lobbyarbeit – Traumann konnte gestern auch mit Zahlen aufwarten. Und zwar mit beachtlichen: Die Exporte der Ernährungsindustrie stiegen im vergangenen Jahr um real 6,2 Prozent auf einen Wert von 24,2 Milliarden Euro. Die Nachfrage im Inland stagnierte dagegen: Der Umsatz sank hier real um 0,1 Prozent auf 102,4 Milliarden Euro. Für dieses Jahr erwartet der BVE einen Exportzuwachs von drei bis vier Prozent, bei einem schwachen Inlandswachstum.
PHILLIPP HORSTMANN
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