: Ostereier schrecken SPD
Seit der Kölner Spendenskandal auch den vergötterten Exoberbürgermeister Burger erreicht hat, trauen sich viele Ortsvereine kaum mehr auf die Straße
KÖLN taz ■ Am kommenden Samstag wollten die Kölner Sozialdemokraten Bürgernähe demonstrieren. Die Ostereier zur Verteilung in diversen Stadtteilen hatten sie teilweise schon bestellt – vor dem Spendenskandal. Die meisten SPD-Ortsvereine haben ihre Stände inzwischen wieder abgesagt. „Wenn wir jetzt Ostereier an die Menschen verteilen, riskieren wir, dass sie uns die verärgerte Bürger zurückwerfen“, sagt ein frustrierter Genosse. Jetzt sollen die Eier an Kindergärten verschenkt werden.
Es herrscht große Depression unter den Domstadt-Genossen. Jeden Tag müssen sie sich neuer Vorwürfe erwehren, ein verdienter Genosse nach dem anderen gerät in den Spendensumpf. Nachdem jetzt auch noch der hoch angesehene Altoberbürgermeister Norbert Burger einräumen musste, eine fingierte Spendenquittungen über 5.000 Mark des Exschatzmeisters Manfred Biciste in seinen Steuerunterlagen gefunden zu haben, versucht der Kölner Parteichef Jochen Ott die Notbremse zu ziehen. „Norbert Burger ist bekannt für seine moralische Integrität und ein zutiefst ehrenwerter Mensch“, sagte Ott. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Kölner Ehrenbürger in das illegale Spendensystem wissentlich verstrickt war. „Gerade am Beispiel Burgers wird deutlich, wie wichtig es ist, jeden Einzelfall sorgfältig zu prüfen und erst dann über Konsequenzen nachzudenken“, so Ott. Laut eigener Aussage ist Burger die inkriminierte Quittung untergeschoben worden. Der Generalsekretär der nordrhein-westfälischen SPD, Michael Groschek, kündigte an, seine Partei werde „in geeigneter Form“ das Gespräch mit Burger suchen „und danach eine Wertung des Vorgangs vornehmen“.
Erst gar keine Quittung bekommen haben will Annelie Kever-Henseler. Auch sie soll wie ihr Mann, der Kölner Schuldezernent Andreas Henseler, auf der ominösen „Biciste-Liste“ stehen, beteuert jedoch nachdrücklich ihre Unschuld. Nach dem Willen des SPD-Landesvorstands soll sich die Kölner Landtagsabgeordnete morgen vor der von Exbundesjustizminister Jürgen Schmude geleiteten Feststellungskommission erklären. Den Termin wird sie wohl verstreichen lassen. Über ihren Anwalt teilte sie mit, sie sehe sich aufgrund der stattgefundenen Vorverurteilung, auch durch SPD-Landeschef Harald Schartau, „zumindest derzeit“ nicht in der Lage, vor der Untersuchungskommission zu erscheinen.
Während die SPD immer noch nicht über die heiß begehrte „Biciste-Liste“ mit den 42 Empfängern falscher Spendenquittungen verfügt, liegt sie inzwischen der Steuerabteilung des NRW-Finanzministeriums vor. Das bestätigte Hartmut Müller-Gerbes, Sprechers des sozialdemokratischen Finanzministers Peer Steinbrück. Steinbrück selbst kenne die Liste allerdings nicht. Die Liste soll dem Parteispendenausschuss des Bundestags vorgelegt werden. Auch die Einkommensteuerakten der Aufgeführten sollen nach Berlin wandern. Das Ministerium habe deswegen inzwischen alle betroffenen Personen angeschrieben, um eine Stellungnahme bis zum 10. April zu erbitten. „Wir dürfen nur die Akten derer dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Verfügung stellen, die uns die Genehmigung erteilt haben“, so Müller-Gerbes.
Unterdessen dementierte die Fraktionsgeschäftsführerin der Kölner SPD-Ratsfraktion, Marlis Herterich, Aussagen ihres früheren Fraktionschefs Norbert Rüther vor der Staatsanwaltschaft, denen zufolge sie schon vor Aufdeckung des Spendenskandals Anfang März von schwarzen SPD-Kassen gewusst haben soll. „Dieser Vorwurf ist perfide“, sagte Herterich zur taz. Zudem bezeichnete sie Äußerungen Rüthers, nach denen 20 bis 30 Prozent der Fraktionsmitglieder von schwarzen Kassen gewusst hätten, als „absurd“.
PASCAL BEUCKER
FRANK ÜBERALL
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