: Im besten Fall: Gefängnis oder Peitsche
Steinigung wegen Ehebruchs sieht der Koran nicht vor. Islamisten wollen „unmoralisches Verhalten“ streng bestrafen
BERLIN taz ■ Steinigung als Bestrafung geht auf das Alte Testament zurück, wo sie fünfmal erwähnt wird, unter anderem als Strafe für Fluchen oder für Frauen, die sich nach der Hochzeit trotz gegenteiliger Behauptung nicht als Jungfrau erweisen. Im Islam ist Steinigung als Strafe für Ehebruch problematisch. Im Koran, für Muslime die schriftlich niedergelegte Offenbarung Gottes gegenüber Mohammed, wird Ehebruch lediglich mit 100 Peitschenhieben für jeden Beteiligten bestraft.
Wenige Jahre nach dem Tod des Propheten 632 behauptete jedoch sein zweiter Nachfolger, Kalif Umar, Steinigung gehöre zusammen mit einer Reihe weiterer Bestimmungen zu anderen von Gewährsleuten überlieferten Rechtsmeinungen Mohammeds; diese bezeichnete er auch als „verlorene“ Teile des Korans. Für die Scharia-Vertreter ist dies ein Problem, denn sie treten zwar für eine restriktive Rechtsprechung ein, wehren sich aber zugleich strikt gegen jede Idee, es gebe mehrere mögliche Versionen des Korans und daher mehrere mögliche Wahrheiten.
Deswegen bedeutet Scharia nicht automatisch, dass Ehebruch mit Steinigung bestraft wird, zumal das Ausmaß der Anwendung der Scharia in den islamischen Ländern unterschiedlich ist. Selbst in Nigeria war die Scharia seit je im Zivilrecht gebräuchlich; kontrovers wurde sie erst durch ihre Ausdehnung ins Strafrecht im Jahr 2000.
Nichtsdestotrotz hat sich die Strafe der Steinigung heute in der strengen islamischen Rechtsprechung durchgesetzt. Die Forderung nach härterer Bestrafung unmoralischen Verhaltens gehört zum Standardrepertoire von Islamisten. Steinigung heißt: Männer werden bis zum Bauch in die Erde eingegraben, Frauen bis zum Hals, und dann werden sie von der umstehenden Menge mit Steinen beworfen. Die Länder, in denen das legal ist, reichen von Mauretanien bis Bangladesch und schließen Sudan, Iran, Pakistan und Afghanistan unter den Taliban mit ein. Die Mehrheit der islamischen Länder jedoch bevorzugt eine andere Rechtsprechung; zum Beispiel gelten in Ägypten für Ehebruch Gefängnisstrafen von bis zu sechs Monaten (für den Mann) oder bis zu zwei Jahren (für die Frau).
Wenn solche drakonischen Strafen ausgeführt werden, gehört zum Delikt meistens mehr als Ehebruch, der ja oft schwer zweifelsfrei zu beweisen ist. Das jetzt aufgehobene Todesurteil gegen Safiyatu Husseini war selbst für Scharia-Verhältnisse außergewöhnlich hart, weil es allein auf dem Straftatbestand des angeblichen Ehebruchs beruhte, obwohl die Beschuldigte schon geschieden war. Die nigerianische Frauenorganisation „Baobab“ kritisierte gestern gemeinsam mit amnesty international, dass für Nigerias Scharia-Gerichte eine Schwangerschaft als Beweis gegen eine des Ehebruchs beschuldigte Frau ausreiche. Für den Beweis der Beteiligung des beschuldigten Mannes seien hingegen vier männliche Zeugen nötig, was bei Geschlechtsverkehr eher unüblich sei. Dies bedeute eine klare Diskriminierung der Frau.
In anderen Länder müssen für ein Steinigungsurteil andere Vergehen hinzukommen. Die letzte dokumentierte Steinigung einer Frau im Iran wurde im Sommer 2001 wegen der Ermordung des Ehemanns nach dem Ehebruch durchgeführt und der beteiligte Mann wurde aufgehängt.
Das iranische Strafgesetzbuch zeichnet sich außerdem durch genaue Bestimmungen über die zur Steinigung zu verwendenden Steine aus. „Sie dürfen nicht so groß sein, dass der Verurteilte stirbt, nachdem er ein oder zwei entgegengenommen hat; sie dürfen auch nicht so klein sein, dass man sie nicht als Steine bezeichnen kann“, heißt es in Artikel 104. DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen