: Beim Spaßbad hört der Spaß jetzt auf
Schwimmen war out, Erleben war in: Nach der Wende sprossen in Ostdeutschland die teuren Erlebnisbäder, gefördert mit bis zu 80 Prozent aus öffentlichen Töpfen. Jetzt sind viele Bäder pleite und die Kommunen haben ein Problem mehr
DRESDEN taz ■ Als sich 1990 der Garten Eden für den lechzenden Ostbürger öffnete, muss vielen das Kanzlerwort vom „kollektiven Freizeitpark“ in den Ohren geklungen haben, vor allem zahlreichen Bürgermeistern und den bereitwilligen Fördergeldgebern in den Regierungspräsidien und Wirtschaftsministerien. Sie erhofften sich den Aufschwung von Spaß- und Erlebnisbädern, die überall in der Region sprossen. Allein 14 in der Erzgebirgsregion, die damit vermutlich den Weltrekord hält.
„Für viele Bürgermeister der letzte Strohhalm“, meint ein Mitarbeiter der sächsischen PDS-Landtagsfraktion. „Die Hoffnung ist ihnen von den Wirtschaftsministerien eingeredet worden“, sagt Bodo Ramelow, PDS-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag. Beide haben Recht: Der anfängliche Ansturm auf die Wasserwelt versprach den Kommunen Gewinne, die sie, wie etwa beim Dresdner „Elbamare“, auch aus Verträgen mit privaten Betreibern zu ziehen hofften. Hinzu kam eine atemberaubende Investitionsförderung von bis zu 80 Prozent durch Regierungspräsidien, Länderministerien und die Europäische Union.
Eine Förderung bar jeder wirtschaftlichen Vernunft und völlig planlos, wie der aus Thüringens Hauptstadt Erfurt stammende Ramelow meint. „Mit Dirigismus und Planwirtschaft ist es jetzt vorbei“, sei ihm geantwortet worden, als er auf die Notwendigkeit raumordnerischer Steuerung verwies. Auch in Sachsen gibt es kein Bäderkonzept. Immerhin wurde hier auf Betreiben des damaligen Finanzministers Georg Milbradt (CDU) die Förderung schon 1996 eingestellt. In Thüringen hingegen wurde der Bau des Erlebnisbades in Rudolstadt noch 2001 gefördert.
Dabei ist die Lust, sich nach getaner 60-Stunden-Woche oder Empfang des Arbeitslosengeldes noch ins laue Nass zu begeben, erheblich gesunken. Der Stadt Dresden drohen jährlich 2,2 Millionen Euro Miet- und Pachtkosten für das „Elbamare“, für das die Kommune aufkommen muss. 600.000 Euro schießt das vogtländische Auerbach in diesem Jahr dem Waldbad Brunn zu. Im erzgebirgischen Seiffen stand Anfang des Jahres der Bürgermeister Johannes Glöckner vor Gericht. Die 5,6 Millionen Mark Fördergelder für das „Haus des Gastes“ mit Spaßbad soll er sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen haben. 3,6 Millionen Mark musste die Gemeinde seither zuschießen – Geld, das der Schule und dem Kindergarten fehlt.
Erst jetzt wird gegen das drohende Absaufen der Spaßbäder interveniert. Einige kommunale Betreiber oder deren Tochtergesellschaften versuchen es mit Privatisierung – wie im sächsischen Thalheim. Dresden dagegen will heraus aus seinem Vertrag mit dem Privatbetreiber. Die Verluste des „Acapulco“ in Halle gleichen künftig die Stadtwerke aus, die das Bad übernommen haben.
Andere versuchen es mit Umprofilierung. So setzt das „Heide Spa“ in Bad Düben auf Kurbetrieb und bietet jedem zweiten Nutzer einer Bus-Direktverbindung vom Leipziger Hauptbahnhof freien Eintritt. Bad Lausick hat den Urzweck eines Hallenbades wiederentdeckt und baut für 700.000 Euro ein Becken für richtige Schwimmer ins „Riff“.
Im Dresdner Wirtschaftsministerium tagt seit März aller sechs Wochen ein Krisenstab. Ergebnis könnte möglicherweise sein, das die Regierung des Freistaats Sachsen Geld zuschießt, sagt Sprecher Burkhard Zscheischler. Er vergleicht die Situation der Spaßbäder mit der Lage der überdimensionalen und daher unrentablen Abwasseranlagen, denen der Freistaat nun mit Subventionen in zweistelliger Millionenhöhe unter die Arme greift. Das Thüringer Wirtschaftsministerium hat nach dem zweiten Konkurs eines Spaßbades immerhin ein Gutachten über Lage der Dinge und Rettungsmöglichkeiten in Auftrag gegeben. MICHAEL BARTSCH
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