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Osterpause im Empörstück

Seufzend verzieht sich die SPD-Bundestagsfraktion in die Ferien. Zwar schadet das Zuwanderungstheater mehr der Union, aber auch die SPD blickt besorgt auf die Wahl

Struck: „Mit Zuwanderungsgesetzen kann man keine Wähler von den Stühlen reißen“

BERLIN taz ■ Bloß keinen Stress mehr vor Ostern. Nach dem großen Empörstück zur Zuwanderung hat sich die Bundes-SPD entschlossen, die Emotionen herunterzufahren. SPD-Fraktionschef Peter Struck vermied gestern, die Provokationen Richtung Union zu verschärfen.

Strucks Osterbotschaften waren, für seine Verhältnisse, zahm: Wir, die SPD, sind nicht schuld am Schmierentheater im Bundesrat. Und: Wir werden jede Entscheidung des Bundespräsidenten akzeptieren. In den letzten Tagen war die theoretische Möglichkeit erörtert worden, auch Rot-Grün könnte notfalls juristisch gegen Rau vorgehen, falls er das Zuwanderungsgesetz nicht ausfertige. Struck machte inhaltlich klar, dass an eine Klage der SPD gar nicht zu denken sei. Er betonte zwar, wie bedeutsam das Gesetz sei – „alle Ausländer profitieren davon“ –, hielt aber seine wahltaktische Bedeutung für eher gering. „Mit Zuwanderungsgesetzen kann man keine Wähler von den Stühlen reißen“, sagte Struck.

Das Zuwanderungsgesetz liegt nun zur Prüfung und Unterzeichnung bei Bundespräsident Johannes Rau – ein ganz normaler Vorgang. Nach dem Eklat in der Länderkammer war er zur Gretchenfrage des Wahlkampfs stilisiert worden. Dass das unklug sein könnte, hatte vor der SPD bereits die Union erkannt. Kandidat Edmund Stoiber will einen betont sachlichen Brief an den Präsidenten schreiben.

Die plötzliche Zurückhaltung nach den Aufregern der vergangenen Woche hat auch ihren Grund in den ersten demoskopischen Bilanzen. Infratest-Dimap hat herausgefunden, was alle ahnen konnten: Den großen Parteien nutzte Shakespeare nichts. Die SPD verlor von ihrem Jahrestief in der Sonntagsfrage noch einmal einen Punkt und liegt jetzt bei 35 Prozent. Die Union sackte gar um zwei Punkte auf 39 Prozent ab. Nur 18 Prozent der Befragten hielten den mächtig empörten Roland Koch (CDU) für glaubwürdig. Jörg Schönbohm (CDU), der Diener zweier Herren, steht mit 23 Prozent Glaubwürdigkeit nicht viel besser da. Die SPDler rangieren allesamt oberhalb von 37 Prozent – sie sind mit einem blauen Auge davongekommen.

Alle Beteiligten scheinen dieses Gefühl zu haben. Das geht der SPD-Fraktion nicht anders, wo es kleine Depressionen nach dem Kölner Parteispendenskandal gab. Mit den Katastrophen und Kataströphchen wie dem ins Wackeln geratenen NPD-Verbot und dem Arbeitsamtskandal von Nürnberg hat sich ein bisschen viel Negativpotenzial für die SPD aufgehäuft. Die Holzmann-Pleite fehlte da gerade noch. Und die schwer zu gewinnende Wahl in Sachsen-Anhalt im April steht noch aus.

Nun warten alle sehnsüchtig, dass die vermeintlichen Trendwender greifen. Der Aufschwung wäre gewiss das beste Mittel. Nach den letzten Zahlen der Institute festigt sich die Hoffnung darauf – indes ist die Konjunkturwende schon ein bisschen oft von den SPD-Ministern Eichel, Riester und Müller verkündet worden.

Florian Gerster, seit gestern offiziell neuer Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), ist da vorsichtiger. Ob und wie der Aufschwung die Arbeitslosigkeit senke, solle man besser abwarten. Auf Gerster, den ersten Sozi an der Spitze der Bundesanstalt, baut Fraktionschef Struck. Als er ein wenig ratlos die Gewinn versprechenden Politikfelder des Wahljahres durchforstete, leuchtete er geradezu auf, als er die aktive Arbeitsmarktpolitik streifte. Ein kurzes Aufatmen. Alle sind, wie es jemand aus der SPD-Fraktion formulierte, „froh, über Ostern mal 14 Tage richtig Luft holen zu können.“ CHRISTIAN FÜLLER

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