gipfel in beirut: Israel verpasst historische Chance
Die Israelis lernen von den Palästinensern dazu. Waren es bislang der Palästinenserpräsident und seine Leute, die keine Gelegenheit ausließen, eine historische Chance zu verpassen, so steht ihm Israels Premier spätestens seit gestern in dieser Frage kaum noch nach. Mit saudi-arabischer Hilfe hätten sich die Israelis ihren Traum von einem Staat in einer friedlichen Umgebung vielleicht erfüllen können. Vielleicht auch nicht. Einen Versuch wäre es allemal wert gewesen.
Kommentarvon SUSANNE KNAUL
Stattdessen brüskiert Israel mit seinem De-facto-Reiseverbot für Arafat die beiden einzigen Staaten, mit denen es Frieden geschlossen hat und die die Friedensinitiative des Kronprinzen Abdallah mehr als alle anderen vorantreiben könnten. Ägypten und Jordanien bleiben dem Beiruter Gipfeltreffen fern, weil die Situation es ihnen nicht erlaubt, sich für den Frieden stark zu machen. Europa und die USA, die für den Auftritt Arafats in Beirut waren, konnten Israels Premier nicht umstimmen. Sie müssen mit ansehen, wie die saudische Initiative entwertet wird.
Auch von Israel kommt keine Rückendeckung. Im Gegenteil, Scharon verwehrte dem entscheidenden Mann die Teilnahme am Gipfel. Dass Arafat nicht nach Beirut fahren konnte, weil er ein Einreiseverbot auf dem Rückweg befürchten musste, entbehrt jeder Logik. Ein Aufruf zum Gewaltverzicht, wie von Scharon gefordert, hätte Arafat das Ticket nach Beirut garantiert. Nur: Der Palästinenserführer konnte diese Bedingung aus den gleichen Gründen, die ihm die Unterzeichnung des israelischen Friedensvorschlags vor knapp zwei Jahren in Camp David verwehrten, auch diesmal nicht erfüllen. Solange ihm Ariel Scharon die Pistole auf die Brust setzt, um ihn zum Frieden zu zwingen, wird im Nahen Osten nichts vorangehen. In dem jetzigen blutigen Konflikt geht es nicht um eventuelle bessere Konditionen für einen Friedensvertrag, sondern um Macht und um Ehre. Politische Zugeständnisse sind nur dann möglich, wenn man sie dem Volk als Errungenschaft verkaufen kann.
Wenig wäre nötig gewesen für eine neue Richtung. Ein paar israelische Gesten ohne Vorbedingung, wie die Reisefreiheit für Arafat, der Rückzug der israelischen Truppen auf die alten Positionen und die Aufhebung der Blockaden hätten vielleicht schon ausgereicht, um auch die andere Seite zu Gesten zu bewegen. Und dazu, dem Terror Einhalt zu gebieten. Kein anderer als Arafat könnte das, wenn man ihn nur endlich ließe. So bleiben die Perspektiven düster.
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