: Welt ist nicht genug
Das erste Luxus-Wohnschiff der Welt liegt seit gestern in Hamburg – absolut bedauernswert ■ Von Peter Ahrens
Wie – kein 18-Löcher-Platz? Nur Driving Range, Putting Greens und noch ein bisschen Golf-Computersimulation? Und dafür zieh ich 'nen Smoking an? „The World of ResidenSea“, das „erste Appartement-Schiff der Welt“, das gestern im Hamburger Hafen einlief, ist eine einzige Camouflage, ein schwimmendes potemkinsches Dorf, eine Fata Morgana des Weltkapitalismus. Man stelle sich das vor: Mindestens zwei Millionen Dollar für eine Eigentumswohnung, die noch nicht mal festen Boden unter den Füßen hat – und dann nur zwei Swimming-Pools und nur einen, in Worten: einen Tenniscourt. Also, auf den Arm nehmen können wir uns selber.
Na ja, ein Jogging-Rundpfad an Deck, toll. Den bietet der Öjendorfer Park auch. Bibliothek an Bord, super. So etwas hatte schon selig Seewolf Larsen alias Raimund Harmsdorf, und das war nachgewiesener-maßen ein absoluter Seelenverkäufer, der da über die Weltmeere schipperte. Cigar Club, na, ja. Rauchen an Bord ist offenbar gestattet. Auch wenn rauchende Mitmenschen heutzutage zu den Verfolgten dieser Erde zählen – ist es eine Zigarre wert, Millionen hinzublättern und sich quasi auf ein Hausboot ins Exil zu begeben? „The World of ResidenSea“ – nur ein Flüchtlingsschiff? Ist es da nicht preiswerter, sich als Mitglied der Landespressekonferenz anzumelden und dann einmal im Jahr beim Jahresfest der LPK wichtigtuerisch auf Kosten von Reemtsma Cohibas zu paffen?
Nie heimisch werden, auf den Meeren umherirren wie der Fliegende Holländer, dazu verflucht, zwischen Cannes, der Polosaison in Palm Beach, dem Karneval von Rio und Wimbledon zu vagabundieren, eingesperrt auf 257 Quadratmetern Wohnfläche, um den letzten Heller im Kasino gebracht. „Travel the world without leaving home“, preist die Hamburger Immobilienfirma Engel und Völkers das Projekt an. Traurig. Immer der Blick durch dieselben Gardinen, manchmal wechselt höchstens der Hintergrund. „Ich brauch Tapetenwechsel, sprach die Birke“, sang saumselig Hildegard Knef, ein Bedürfnis, dass die Gefangenen an Bord niemals befriedigen können. Wir lagen vor Monaco und hatten den Kaviar an Bord. In den Kesseln, da faulte der Schampus, und täglich ging einer über Bord.
Welch ein erbärmliches Hundeleben. Unser Mitleid gilt allen Passagieren und Wohnungseigentümern auf der „World“. Vielleicht gibt es irgendeine wohltätige Institution, die sich für sie einsetzt. Amnesty, übernehmen Sie.
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