: Mein Leben mit Max
Sein Vater Archibald war mehrfach englischer Champion, seine Mutter Emilia gewann die Baltikum-Championships, und auch die Zeitschrift „KosMops“ ist schon an ihm dran: Was die Besitzerin eines reinrassigen schwarzen Mopses alles zu erzählen hat
von LILLI BRAND
Eigentlich heißt er Maximilian Karlin Archibald Sebastian von Selwin aus Riga, aber genannt wird er einfach Max. Meine Freundin Ira schenkte ihn mir 1997 zum Internationalen Frauentag. Ich wollte nie einen Hund haben, aber als ich die rote Schleife vom Geschenkkarton löste und ihn darin sah, wie er mich mit großen blauen Augen anschaute, konnte ich nicht nein sagen. Er stammte aus der Zucht von Iras Eltern, die in Riga lebten, ihre Freundin hatte ihn aus dem Land geschmuggelt – im besagten Geschenkkarton, den die Zöllner wegen der kunstvollen Verpackung nicht öffneten.
Ich hatte damals gerade eine kleine, aber teure Wohnung am Kurfürstendamm bezogen. Meine Ehe war nicht so gelaufen, wie ich es mir gedacht hatte, da kam mir Max gerade recht. Er war vier Wochen alt und musste noch mit einer Babyflasche gefüttert werden. Wenn ich nach draußen ging, nahm ich ihn meistens mit – in einer Tasche. Als mein Mann mich das erste Mal in der neuen Wohnung besuchte, pinkelte Max ihm gleich auf die Schuhe. Als der Hund größer wurde, musste er lernen, alleine zu Hause zu bleiben. Aus Langeweile zerkratzte er mir alle Türen und Möbel. Wenn ich nach Westdeutschland musste, brachte ich ihn zu Ira, auch das gefiel ihm nicht: Er pinkelte nachts in ihr Bett. Nach mehreren Malen weigerte sie sich, ihn weiter bei sich aufzunehmen. Ich gab Max daraufhin immer zu zwei anderen Freundinnen, die zusammen eine große Wohnung besaßen. Erstaunlicherweise fühlte er sich dort wohl – und machte keinen Unsinn. Weil es sich bei ihm um einen reinrassigen schwarzen Mops handelt, von denen es nicht viele in Berlin gibt, wurde ich auf jedem Spaziergang von Hundeliebhabern angesprochen. Manche gaben mir sogar ihre Telefonnummer oder ihre Visitenkarte. Meistens ging ich mit Max den Ku’damm rauf und runter und erledigte dabei meine Einkäufe.
Der Vater von Max, Archibald, war dreifacher englischer Champion, seine Mutter Emilia zweifacher Baltikum-Champion, und eigentlich hätte ich mit ihm in eine Hundeschule eintreten und ihn dort trainieren lassen müssen. Ich aber wollte ihn nicht mit diesem ganzen Quatsch quälen. Stattdessen fütterte ich ihn gelegentlich sogar mit Süßigkeiten und Früchten. Am liebsten isst er Klementinen und Kiwis. Eines Tages sprach mich ein junger Mann am Bahnhof Zoo an, der gerade dabei war, im Charlottenburger Schloss ein Mops-Treffen zu organisieren. Er war und ist wahrscheinlich immer noch Herausgeber der Monatszeitschrift KosMops, die er mir mehrmals zuschickte. Einmal bekam ich auch eine Videokassette von ihm – mit lauter internationalen Berühmtheiten, die alle einen Mops auf dem Schoß hielten. Seinen hatte er auf einem roten Samtkissen fotografiert.
Im Januar 2000 zogen Max und ich zu einem Freund an den Stadtrand, der einen großen Mischlingshund namens Lotte besaß. Die beiden brauchten lange, um sich aneinander zu gewöhnen. Bald aber spielten sie oft zusammen draußen auf den Feldern oder begleiteten uns in die Wälder zum Pilze sammeln. Irgendwann brachte ihm Lotte sogar das Schwimmen in einem See bei.
Max hatte eine gute Zeit, aber es kamen auch schlechte Zeiten: Eines Tages wurde ich verhaftet und kam für 20 Tage in den Knast. Mein Freund Herbert bemühte sich, ihn in einem Tierasyl unterzubringen, aber das ging nicht, da er nicht der Besitzer war. Nur eine Tierpension in Spandau erklärte sich bereit, Max für 15 Mark pro Tag aufzunehmen, wobei ein Vorschuss von 300 Mark bezahlt werden musste.
Als ich wieder rauskam, war ich erst mal pleite. Schließlich verlangte die Tierpension 2.700 Mark, die ich mir leihen musste. Und das dauerte, deswegen besuchte ich den armen Max dort mehrmals: Er mochte nichts essen und hockte apathisch in einer mit Stroh gefüllten kleinen Einzelzelle. Zum Glück spielten gelegentlich die Kinder der Pensionsbesitzerin mit ihm. Aber das bewirkte schließlich, dass sie ihn nicht mehr hergeben wollten. Ich musste erst der Besitzerin auf Ukrainisch drohen.
Danach zogen Max und ich wieder in die Stadt, zu einem alten Bekannten in Reinickendorf: Oran. Anfangs sagte er zwar „In meiner Wohnung dulde ich keine Tiere“, aber dann gewöhnte er sich derart an Max, dass er mir ständig vorhielt: „Mit deinem Hund komme ich besser klar als mit dir!“ Er nahm ihn regelmäßig mit zu einem nahen Seniorenheim, in dem die Bewohner Hunde halten durften und sogar gemeinsame Ausflüge unternahmen, um sich besser kennen zu lernen. Bedingung für die Teilnahme war der Besitz eines Hundes. Auch Max lernte dort eine Freundin kennen – einen Silberpudel namens Mirabell.
Vor einigen Wochen ging ich mit Max zu meinem Hausarzt. Während der ärztlichen Behandlung blieb er im Treppenhaus, wo ich ihn angebunden hatte. Als ich wieder rauskam, war er weg! Stundenlang suchte ich ihn, später half mir Oran. Ich war am Boden zerstört. Erst mal ging ich zur Polizei und erstattete eine Anzeige wegen Diebstahls. Dann schrieb ich zu Hause einen Zettel: „Jemand hat mir meinen Hund weggenommen – aus Profitgier oder warum auch immer … Jeder Hinweis ist wichtig und wird auch belohnt. Derjenige, der mir meinen Max unverletzt zurückbringt, bekommt 1.000 Euro“.
Das Geld hatte ich natürlich nicht, es sollte nur ein Köder sein. Und es funktionierte auch, nachdem ich den Zettel 15-mal kopiert und an alle Laternen geklebt hatte. Da ich befürchtete, dass der Dieb Max für sich behalten könnte, hatte ich noch hinzugefügt: „Der Hund ist krank und braucht Medikamente.“
Einige Tage später rief mich ein Mann an: „Ich habe ihren Hund! Ein Ehepaar hat ihn mir verkauft, und ich habe auch schon 10 Dosen Hundefutter für ihn angeschafft“. Der Anrufer wollte sofort mit dem Hund bei mir vorbeikommen. Ich rief die Polizei an, die sich daraufhin ebenfalls zu mir auf den Weg machte. Der Mann sah wild aus – ein bisschen wie ein Penner und auch irgendwie krank und ausgemergelt. Als er hörte, dass die Polizei dazukäme, wollte er gleich wieder abhauen, aber Oran hatte bereits vorsorglich die Wohnungstür hinter ihm abgeschlossen. Er gab dann an, 400 Euro für Max bezahlt zu haben, und weinte fast, als die Polizei ihn stattdessen festnahm.
Als ich ihm 10 Euro Taxigeld anbot, rief er erst „Schmor in der Hölle!“, aber dann riss er doch das Geld an sich. Max war froh, wieder zu Hause zu sein, er lief durch die ganze Wohnung und sprang auf die Möbel. Der Dieb hatte ihm seine Barthaare, die inzwischen grau geworden waren, gefärbt. Als Oran ihn wusch, lief dem Hund schwarze Tinte aus der Schnauze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen