Rosa nicht ausreichend verankert?

Im Koalitionsbeschluss haben sich die Regierungsparteien auf die Errichtung eines Rosa-Luxemburg-Denkmals verständigt. Für den Kultursenator ein notwendiges Projekt, obwohl bereits an vielen Orten Berlins an die kritische Revolutionärin erinnert wird. Für andere ist Rosa auch ein Denkmalkiller

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Kultursenator Thomas Flierl bemüht ein vorsichtiges Deutsch, wenn er über das geplante Denkmal für Rosa Luxemburg am gleichnamigen Platz in Mitte parliert: Es gehe um „Kunst für das Unabgegoltene“ im städtischen Raum. Das Konzept zur Erinnerung an die ermordete Sozialistin dürfe zu keinem Denkmal „alten Typs“ führen. Auch kein plattes, „ehrendes Heldengedenken mit Sockel und Standbild nach dem Verständnis des 19. Jahrhunderts“ könne er sich vorstellen. Vielmehr hofft der PDS-Mann auf ein „kontroverses Denkmal“, wünscht sich ein kunstvolles abstraktes „Denkzeichen“, in dem sich die „widersprüchliche deutsche und Berliner Geschichte“ widerspiegelt.

Weniger filigran argumentiert der Kultursenator, geht es um die Begründung für das „Denkzeichen“. Während beispielsweise in „Frankreich die Erinnerung an historische Personen eines breiten politischen Spektrums sehr viel selbstverständlicher ist“, sei davon in Deutschland – speziell was das linke Spektrum betrifft – weniger die Rede. Insbesondere Rosa Luxemburg als „Teil der deutschen Geschichte“ habe im öffentlichen Berliner Stadtraum „bisher nicht ausreichend verankert“ werden können, so Flierl in der FAZ.

Sicher hat der Kultursenator Recht in seiner Kritik der deutschen Erinnerungskultur, die sich oftmals ungeliebten und schwierigen Vertretern der politischen Linken verweigert hat. Bedenklich wird es aber, überprüft man das kulturpolitische Gewicht in der Aussage des Senators, Rosa Luxemburg sei im Berliner Stadtraum „nicht ausreichend verankert“. Denn guckt man genauer hin, scheint es fast so, als habe sich Thomas Flierl nicht ausreichend über die so genannte Verankerung der Sozialistin und Mitbegründerin der KPD im öffentlichen Raum informiert.

Gleich siebenmal – weit mehr als bei anderen Figuren des linken Spektrums – trifft man in der Stadt auf Symbole der Erinnerung, des Gedenkens und der Verehrung für die Ikone der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung und kritische Revolutionärin. Nach Rosa Luxemburg sind in Berlin ein Platz, ein U-Bahnhof und eine Straße benannt. In Wilmersdorf trägt zum Gedenken an sie eine Schule ihren Namen.

Nach langen und heftigen Debatten im Abgeordnetenhaus hat das Land 1987 entschieden, ein aus dem Wasser ragendes Rosa-Luxemburg-Mahnmal am Landwehrkanal zu errichten, um dort an ihre Ermordung 1919 zu erinnern. Heldenverehrung für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und zur Erinnerung an die Geschichte der KPD und SPD hat die SED in der „Gedenkstätte der Sozialisten“ inszeniert, die bis heute alljährlich Massenaufmärsche erlebt. Schließlich verweist eine Tafel auf die erste und größte Gedenkstätte zur Erinnerung an die Revolutionärin: das von den Nazis in den 30er-Jahren zerstörte Revolutionsdenkmal im Stil der klassischen Moderne von Mies van der Rohe.

Dass es dem Kultursenator und den Koalitionären von SPD und PDS mit dem „Denkzeichen“ um die kritische Reflexion des Lebens und Wirkens von Luxemburg jenseits der ideologischen Rezeption von Ost und West geht, leuchtet ein. Die Frage ist nur, ob es nicht anstelle des erneuten Versuchs in Gestalt eines Denkmals Alternativen gibt, wie sie etwa in den Projekten zur Topographie des Terrors oder der öffentlichen Dokumentation jüdischen Lebens und Sterbens im Bayerischen Viertel entstanden sind.

Kulturpolitisch bedeutet die Koalitionsprämisse, bis 2006 das Denkmal vis-à-vis der PDS-Zentrale errichten zu wollen, auch, dass Flierls Rosa-Luxemburg-Vorstoß andere Denkmalvorhaben auf die lange Bank verbannen könnte. Auf die Unverhältnismäßigkeit zwischen den „bestehenden Erinnerungsstätten für die Revolutionärin“ und anderen, noch gar nicht existierenden Gedenkorten für historische Personen der deutschen Arbeiterbewegung, des Widerstands oder Opfergruppen aus der Zeit des Nazi-Regimes macht Martin Schönfeld vom Berufsverband Bildender Künstler in Berlin aufmerksam. Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, benennt die in der Stadt diskutierten Vorhaben konkret, die das Denkzeichen für Rosa verdrängt: das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma, für die Homosexuellen und Euthanasieopfer. Diese warten noch darauf, zu „Kunst für das Unabgegoltene“ verwandelt zu werden.