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Dr. Oetkers japanischer Albtraum

Ein frühreifes fünfjähriges japanisches Zeichentrickkind bekommt eine eigene Comedy-Serie. Platte Witze, schlechte Zeichnungen – garstige Kinder jedoch werden ihren Spaß haben an „Shin Chan“ (ab heute täglich um 18.30 Uhr, RTL 2)

von JENNI ZYLKA

Das wird noch böse enden! Wenn sich demnächst auch die Werbeindustrie besinnt und anstatt der braven, folgsamen Traumkinder aus dem Dr. Oetker-Clip nur noch freche, vorlaute Blagen ins Rennen schickt, dann hat der Lümmel als solcher endgültig im TV-Universum Land gewonnen.

Bis dahin kommen echte Frechdachse im Fernsehen (außer in grenzdebilen deutschen 60er-Jahre-Komödien) weitgehend in Comicform vor: Bart Simpson ist so ein Antiheld (und wird darum von juvenilen ZuschauerInnen geliebt, obschon der Simpsons-Humor auf Erwachsene gemünzt ist), die fiesen Gören aus „South Park“ machen ebenfalls mit Gemeinsein Furore. Eine Mischung aus beiden Brave-Kinder-gucken-sowas-nicht-Shows, versetzt mit etwas asiatischer Manga-Ästhetik, das ist die neue Kinder-Cartoon-Comedy „Shin Chan“.

„Shin Chan“ soll ein Mega-Coup von RTL 2 sein: Der Tits-’n’-Teenies-Sender brüstet sich ohnehin gerne mit den stärksten Marktanteilen in der jüngsten, kaufrelevantesten Zielgruppe. Warum also nicht die „Dragonball Z“-Fans, die sich diese dumpfe, asiatische Anime-Action jeden Tag reinziehen, etwas früher vor die Glotze bannen? Bis zu 1,6 Millionen ZuschauerInnen schalten bei „Dragonball Z“ nicht weg, vermeldet RTL 2, und genau die sollen sich ab heute auch die Noharas anschauen.

Die Familie Nohara, bestehend aus dem frühreifen fünfjährigen Shin Chan, seinem Vater Harry, Mutter Mitsy, der kleinen Schwester Daisy und einigen Freunden und Schulkameraden, wohnt irgendwo in Japan. Shin Chan ist für sein Alter nicht nur ungewöhnlich weise, sondern vor allem ungewöhnlich unverschämt: zu seiner Mutter sagt er „Beweg dich, Mopsi!“, zu seinem Lehrer „Sperr mal schön die Fressleiste auf!“, und ansonsten pupt er in den nicht zusammenhängenden Episoden herum, dass es nur so eine Art ist. Auch die anderen glänzen durch Geschmacklosigkeiten: „Ich glaub, meine Leber ist im Arsch!“ sagt der Lehrer, zieht die Hose runter, zeigt seine blanken vier Buchstaben und sagt: „Hier – schau doch mal rein!“ Das ist so doof, dass nur Kinder darüber dreckig lachen können. Genau wie über den Spruch: „Es ist so kalt – da werden aus Eiern Erbsen“.

Ein jugendlicher Kritiker urteilt denn auch folgerichtig: „Suuuper! Lustig! Wie die reden! Und die Geschichten sind toll!“ „Shin Chan“ scheint ein gutes Beispiel zu sein für die Diskrepanz zwischen dem, was Erwachsene glauben, was Kinder witzig finden, und dem, worüber sie sich wirklich amüsieren. Jedenfalls die besonders nervensägigen und garstigen Rabauken und die, die sich heimlich nach etwas mehr Rabaukentum sehnen. „Shin Chan“ reicht weder vom Zeichenstil – wie bei „South Park“ bewegen sich die recht plumpen Figuren nur wenig und unbeholfen, dafür drehen sich statt mancher Schnitte klingelnde Zeichentrickfiguren zwischen den kurzen Segmenten durchs Bild – noch vom Wortwitz an das Simpsons-Niveau heran. Und im Gegensatz zu „South Park“ ist es einfach nur platt und zuweilen merkwürdig – die derben Späße erinnern ab und zu an die kongenial fiesen, japanischen Brutalo-Spielshows wie „Takeshi’s Castle“. Das macht dem jugendlichen Kritiker nicht viel: „Dragonball ist spannender, da will man am Ende jeder Geschichte unbedingt wissen, wie’s weitergeht“ – der alte Cliffhanger-Trick, mit dem Serienmacher ihre Fans bei der Stange halten. „Aber Shin Chan ist komischer.“

Auch an der Titelmusik hat der Bub nichts auszusetzen, obwohl sie von der RTL-2-Eigenbrut BroSis gesungen wird: „Wieso? Klingt doch ganz schön.“ So tolerant können Zwerge sein.

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