Kinder in der Pflicht

Türkische Chefs verlangen Kita-Pflicht für Migranten. Mehr Chancen durch Azubi-Einstellungsquoten

BERLIN taz ■ Kinder von Migranten sind weder dumm noch faul – und dennoch schneiden sie meist schlechter ab als ihre deutschen Mitschüler. Wer daran Schuld hat, darüber streitet spätestens seit der internationalen Bildungsstudie Pisa wieder ganz Deutschland. Esref Ünsal, Vorsitzender des Verbandes der türkischen Unternehmer und Industriellen in Europa (Atiad), vermied es gestern in Berlin, dazu Stellung zu beziehen. Aus seinem Positionspapier wurde trotzdem klar, wen er für die Misere verantwortlich macht: Beide – die Politik und die Zuwanderer.

Angesichts der massiven Sprachprobleme stellt Ünsal eine für Migranten überraschende Forderung auf: Den Pflichtkindergarten für Zuwanderer. Bisher schicken nur wenige Migrantenfamilien ihre Kinder in Kindertagesstätten. Sie verhindern damit das Erlernen der deutschen Sprache. Zudem sind meist zu wenig Plätze vorhanden; gäbe es die Kindergartenpflicht, müssten deutlich mehr Plätze geschaffen werden.

Damit die Sprachkompetenz der Kinder in der Schule nicht wieder verloren geht, plädiert Ünsal zudem für eine Begrenzung des Ausländeranteils in Schulen. Maximal 25 Prozent Schüler nichtdeutscher Herkunft sollten in einer Klasse sitzen. Der Düsseldorfer Unternehmer weiß warum: Im Ruhrgebiet gibt es Klassenstufen, in denen bis zu 80 Prozent der Kinder türkischer Abstammung sind. Pädagogen klagen, dass in den Pausen kein Deutsch mehr gesprochen wird. Das Sprachverständnis für Deutsch sei dadurch gestört.

Scharf kritisierte Ünsal die Diskriminierung ausländischer Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt. Für ihre Bevorzugung bei gleicher Eignung sei eine Quotenregelung nötig. Während im Handwerk ausländische Azubis noch entsprechend dem Ausländeranteil an der Bevölkerung mit zehn Prozent vertreten sind, sind es in Industrie und Handel nur noch acht Prozent, im öffentlichen Dienst gerade mal drei.

„Die Perspektivlosigkeit führt die Jugendlichen auf die schiefe Bahn“, warnte Ünsal vor einem Ansteigen der Kriminalitätsrate unter den ausländischen Jugendlichen. Zwar nahm die Zahl der „nichtdeutschen Tatverdächtigen“ laut Bundeskriminalamt in den vergangenen Jahren ab. Gemessen am Bevölkerungsanteil ist die Kriminalitätsrate aber höher als bei deutschen Jugendlichen. Experten rechnen mit einem weiteren Ansteigen. Die sinkenden Zahlen in den Statistiken des Bundeskriminalamts werden vermutlich durch die höhere Zahl von Einbürgerungen verursacht. NADIA LEIHS