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Zwischen Pest und Cholera

Ja oder Nein zur Risikoabschirmung bei der Bankgesellschaft. Die Abgeordneten stehen vor der finanzpolitisch folgenreichsten Entscheidung ihrer Karriere. Berlin ist eines sicher – Milliardenverluste

von RICHARD ROTHER

Der 9. April wird in die Geschichte eingehen – so viel ist sicher. Morgen hat das Abgeordnetenhaus die finanzpolitisch folgenreichste Entscheidung seiner Geschichte zu treffen. Stimmt es der Risikoabschirmung bei Bankgesellschaft zu, verpflichtet sich Berlin, 30 Jahre lang Milliardenrisiken schwer kalkulierbarer Immobiliengeschäfte zu tragen. Lehnt es ab, droht der mehrheitlich landeseigenen Bank die Pleite. Damit wären nicht nur 14.000 Jobs weg und viele Kreditnehmer bedroht, auf das Land kämen ebenfalls Milliardenkosten hinzu. So abgedroschen das Bild ist, in diesem Fall trifft es zu: Die Abgeordneten entscheiden zwischen Pest und Cholera.

Wählen sie die Pest, stimen sie also der Riskioabschirmung zu, haftet das Land noch drei Jahrzehnte für Immobilienfondsgeschäfte aus den 90er-Jahren, mit denen die damals neu gegründete Bankgesellschaft möglichst schnell im Konzert der Großen mitspielen wollte. Um möglichst schnell Geld zu akquirieren, wurden die Fonds mit lukrativen Konditionen ausgestattet – ein Bumerang, der jetzt zurückkommt. Aus den Immobiliengeschäften in Berlin und Ostdeutschland wurde nichts, Projekte werden abgeschrieben. Das trifft zwar auch andere Banken, die Bankgesellschaft hat sich aber hier – oft blindlings – besonders engagiert.

Die tatsächlich eintretenden Verluste lassen sich im Moment kaum abschätzen; niemand weiß schließlich, wie sich der Immobilienmarkt in den nächsten Jahrzehnten entwickelt. Experten schätzen, dass sich die Verluste zwischen drei und zehn Milliarden Euro bewegen werden. Eine Größenordnung, die kaum vorstellbar ist, entspricht letztere Zahl doch der Summe, die Berlin in einem halben Jahr ausgibt. Eine solche Summe durch Kürzungen wieder hereinzuholen – unmöglich. Und neue Schulden aufzunehmen heißt, weniger Geld für Sozialleistungen oder Investitionen zu haben.

Zudem sind die Risiken, die jetzt abgeschirmt werden sollen, nur ein Teil der Gesamtrisiken der Bank. Die allgemeine konjunkturelle Lage lässt Schlimmes befürchten – Holzmann- und Herlitz-Pleite machen auch der Bankgesellschaft zu schaffen. Zudem hat sie in der Region auch Immobiliengeschäfte neben den eigenen Fonds finanziert. Warum sollte es diesen Projekten besser gehen als den bankeigenen? Auch hier dürfte eine zweistellige Milliardensumme zusammenkommen. Fazit: Im schlimmsten Fall hätte die Stadt der Bank Milliarden garantiert, die Pleite aber nicht verhindert.

Bleibt den Abgeordneten also nur, die Cholera zu wählen? Übernimmt das Land die Risiken nicht, droht der Gang der Bank zum Insolvenzrichter. Das Einzige, was dann noch sicher wäre, wären die Einlagen der Bankkunden – alles andere ginge den Bach hinunter. Die volkswirtschaftlichen Folgen wären immens, aber auch die direkten betriebswirtschaftlichen Konsequenzen lassen sich kaum abschätzen. Schließlich ist das Land Berlin verpflichtet, den Betrieb der öffentlich-rechtlichen Sparkasse und der Landesbank Berlin aufrecht zu erhalten und haftet dafür. Nun hat aber die Landesbank auch Kredite an die privaten Töchter der Bankgesellschaft ausgereicht. Könnten diese im Fall einer Pleite nicht bedient werden, haftete wieder das Land. Auch hier dürften sich die Verluste im zweistelligen Milliardenbereich bewegen.

Das Problem, dem sich die Abgeordneten zu stellen haben, ist so einfach wie unlösbar: Beide Übel sind so groß, dass die Suche nach dem kleineren als obsolet erscheint. Nur soviel ist sicher – die morgige Entscheidung wird in die Geschichte eingehen.

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