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Scharon brüskiert Bush

Trotz Aufforderung des US-Präsidenten zieht Israel seine Truppen aus dem Westjordanland nicht ab. Laut Angaben der israelischen Armee wurden seit Karfreitag 200 Palästinenser und 13 Israelis getötet

JERUSALEM afp ■ Israel hat am Wochenende alle internationalen Aufrufe ignoriert und seine Militäroffensive gegen die Palästinenser ausgeweitet. US-Präsident George W. Bush forderte erneut einen „unverzüglichen“ Rückzug der israelischen Armee aus den Palästinensergebieten. Am Sonntag fordertet die US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice Israel zum unverzüglichen Abzug aus den besetzten Palästinensergebieten auf. Die israelische Armee müsse „unverzüglich, jetzt, nicht morgen“, mit dem Truppenabzug beginnen, so Rice. Israels Ministerpräsident Ariel Scharon versprach zwar ein „schnelles Ende“ der Offensive, kündigte aber dennoch eine Fortsetzung an. US-Außenminister Colin Powell wird am Freitag in Israel erwartet.

Am Wochenende töteten israelische Soldaten nach palästinensischen Angaben mehr als 70 Palästinenser – das blutigste Wochenende seit Beginn der Intifada. Auch mindestens sieben Soldaten kamen ums Leben.

Nach Angaben der Armee wurden seit Beginn der israelischen Offensive am Karfreitag im Westjordanland etwa 200 Palästinenser getötet. Das geht aus einem Bericht von Generalstabschef Schaul Mofas hervor, der nach Angaben aus Regierungskreisen dem israelischen Kabinett am Sonntag vorgelegt wurde. Demnach wurden seit 29. März außerdem 1.500 Palästinenser verletzt. Auf israelischer Seite seien 13 Soldaten getötet und 143 verletzt worden. Mehr als 1.200 Palästinenser seien festgenommen worden, darunter rund 100, die von Israel wegen „terroristischer Akte“ gesucht würden.

Nach palästinensischer Darstellung wurden viele Zivilisten getötet. Da die israelische Armee weite Teile der besetzten Gebiete für Journalisten sperrte, konnten die Angaben nicht überprüft werden. Der israelische Rundfunk berichtete unter Berufung auf einen Offizier, allein in Nablus seien mehr als 30 bewaffnete Palästinenser getötet worden. Von dort meldeten auch Palästinenser besonders schwere Gefechte. In Dschenin gab es nach palästinensischen Angaben mindestens 35 Tote. In der Nacht zu Sonntag rückte die israelische Armee in den autonomen Ort Beit Rima bei Ramallah ein.

Die Außenminister der Arabischen Liga sprachen sich in Kairo für eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates aus. Sie bekräftigten zugleich ihre Unterstützung des „legitimen palästinensischen Widerstands“. Die EU-Kommission betonte, sie betrachte Arafat weiter als einzigen berechtigten Ansprechpartner für Israel. Die derzeitige Lage im Nahen Osten erfordere einen Runden Tisch, an dem neben Israel, den Palästinensern und den USA auch die EU, die UNO, Russland und „gemäßigte arabische Staaten“ teilnehmen sollten.

In zahlreichen europäischen Städten demonstrierten tausende gegen das Vorgehen Israels. Mehr als eine Million gingen in Rabat auf die Straße, weitere zehntausende in der syrischen Hauptstadt Damaskus.

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