: Eiern bei der Asyl-Unterbringung
■ Massenunterkunft für 250 Flüchtlinge am Bahnhof abgesagt / Sozialbehörde überrascht mit neuen Bedarfsansagen. Gestern wurde Aufnahmebedarf weiter nach unten korrigiert
Die Zeit von Massenunterkünften für Asylbewerber kommt wieder. Zwar hat die Bremer Sozialbehörde den jüngsten Versuch, rund 250 Flüchtlinge in ein umgebautes Bürohaus in direkter Bahnhofsnähe anzusiedeln, nach monatelanger Planung nun abgesagt.
Doch der Versuch einer Großansiedlung ist damit noch nicht grundsätzlich vom Tisch. Fest steht lediglich, dass sich möglicherweise traumatisierte Flüchtlinge mit Kindern an das ungewohnte Leben in Deutschland nicht im Nirwana zwischen Hochstraße, Bahngleisen und Papageienhaus werden gewöhnen müssen. Wohin die Asylbewerber dann sollen, wenn sie – je nachdem, wie viele Personen einen Asylantrag stellen – nach Bremen verteilt werden, ist noch unklar. Ebenso offenbar deren erwartete Anzahl.
Dennoch applaudieren Beobachter zur Entscheidung, keine Massenunterkunft in Bahnhofsnähe einzurichten. „Hier hat die Vernunft gesiegt“, lobt beispielsweise der Huchtinger Ortsamtsleiter Uwe Martin. Er hatte die jüngste Entwicklunglange aus der Ferne beobachtet, nachdem die Beiräte Vegesack, Mitte und Huchting erst im Spätherbst zugestimmt hatten, ihre Aufnahmemöglichkeiten um insgesamt 235 Plätze zu erweitern, als im Jahr 2001 die bundesweiten Asylbewerberzahlen erstmals wieder angestiegen waren.
Am Huchtinger Wardamm werden statt bisher knapp 100 künftig bis zu 180 Personen leben – in Flachbauten, aber wenigstens mit Gras vor der Tür. Doch kaum waren diese und ähnliche Lösungen mit den Beiräten erarbeitet worden, war das Sozialressort Ende Dezember mit seiner neuesten Ansage herausgerückt: Weitere rund 400 Plätze würden im laufenden Jahr 2002 gebraucht.
Die Begründung ist mehrschichtig. Da ist zum einen die Prognose anhand der Vorjahreszahlen, die lautet: Es werden mehr Flüchtlinge kommen. Die Plätze für derzeit 915 Asylbewerber (2001) reichten nicht aus, zumal zusätzliche 60 Personen zugewiesen worden waren. Weiteres Problem: Einmal belegte Plätze durch Asylanerkennung oder Ausreise blieben länger belegt.
So hatten die Innenminister beschlossen, den Sinti, Roma und Aschkali aus dem Kosovo die Duldung bis Juli 2002 verlängern. Niemand weiß, was weiter wird. Auch fielen 90 Plätze in alten Unterkünften aus, für die Ersatz gebraucht werde.
Also hatte der Beirat Mitte zugesagt, die Unterbringung von 250 Personen zu prüfen – bis jetzt der Anruf aus der Sozialbehörde kam: Die mehrstöckige Massenunterkunft am Breitenweg ist vom Tisch, auch wenn die konzentrierte Unterbringung – Familien in kleinen Apartments mit Kochgelegenheit – finanziell günstig gewesen wäre. So günstig, dass es Monate dauerte, bis der Plan beerdigt wurde. Dafür soll sich unter anderem das Bremer Gesundheitsamt stark gemacht haben. Wegen der unmittelbaren Bahnhofsnähe habe auch die Polizei große Bedenken gehabt, heißt es.
Im Ortsamt Mitte herrscht unterdessen Überraschung. „Wir haben nur eine telefonische Absage bekommen“, sagte gestern Ortsamtsleiter Robert Bücking gegenüber der taz. Hintergründe kenne er nicht. „Uns ist gesagt worden, es kommen wieder mehr Asylbewerber. Und irgendwo müssen sie ja hin.“
Dass mehr Asylbewerber kämen, ist der offizielle Stand vom Jahresende 2001. Da hatte die Sozialbehörde – als seien Prognosen nur quartalsweise möglich – aufgrund von Asylbewerberzahlen des Bundesinnenministeriums den Fehlbedarf an Unterkünften gerade auf 400 beziffert.
Gestern gab es die wohl aktuellste Korrektur dieser Zahl. Die Sprecherin des Sozialressorts, Heidrun Ide, sagte zur taz: „Die Asylbewerberzahlen sind in den ersten drei Monaten dieses Jahres deutlich gesunken. Wir gehen davon aus, dass wir im laufenden Jahr nur noch 150 bis 200 zusätzliche Plätze brauchen.“ ede
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