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Souvenirs vom Missionieren

■ Als Heiden noch auf Christen mit Pfeilen schossen. Das Bremer Dom-Museum zeigt eine Ausstellung zur Slawenmission im Mittelalter

Im Blaumann knien die beiden vor ihm am Boden, mit Maurerkelle. „Prove heißt unser heidnischer Hingucker“, erklärt Ingrid Weibezahn, Kustodin im Bremer Dom-Museum, die Szene mit Handwerkern. Noch steckt die Ausstellung in der Vorbereitung. Stolz zeigt sie auf die Nachbildung einer slawischen Götzenfigur aus vorchristlicher Zeit, 10. Jahrhundert. Rund zwei Meter hoch ragt der hölzene Pfahl phallusartig auf einem Sockel aus frischem Mörtel und Felssteinen empor. Oberhalb des glatten Schafts sitzt der Kopf mit vier Schnitzgesichtern: hervortretende Augen, spitzer Kinn- und langer Schnurrbart.

„Heiden und Christen - Slawenmission im Mittelalter“, so der Titel der Ausstellung, die ab Sonntag für neun Wochen die Hinterkammern im Keller des Doms zieren wird. Für Weibezahn ist sie der „Höhepunkt und das Schlusslicht der seit drei Jahren dauernden Ausstellungsreihe zur Geschichte des Erzbistums Bremen“. Das Bistum Bremen, im Jahre 787 gegründet und Beispiel mittelalterlichen Missionseifers mit einer Reichweite bis Schwerin und hoch nach Skandinavien, steht im Mittelpunkt der Wanderausstellung, die auch im holsteinischen Oldenburg und in Lübeck gastieren soll. Beide Städte stellen dem Bremer Museum Stücke aus ihrem archäologischen Fundus zur Verfügung. „Das, was heute als slawische Bevölkerung jenseits Berlins und weiter weg außerhalb der Bundesrepublik lebt, interessiert uns in Bremen nicht“, sagt Weibezahn.

Doch was dann? Treppauf, treppab, vorbei am Silbersaal, der die Geschichte von Aufstieg und Fall des Bremer Erzbistums dokumentiert, ganz hinten, ganz unten: die Exponate. Übersichtlich hinter Glas – teils Replik, teils Original – Pferdeknochen und -schädel, Fingerringe und Knochenplättchen mit figürlichen Darstellungen und ein zweiköpfiges Götterbild aus Eiche. „Das alles zusammen soll einen Eindruck dessen geben, auf welche Kultur unsere Missionare damals stießen“, erklärt Weibezahn das Konzept. Und noch zwei Hingucker: „Ja, der Schädel mit Pfeilspitze im Auge, sowas Spektakuläres braucht man heute“, sagt Weibezahn. Und die eiserne Fußfessel? „Wir gehen davon aus, dass die Slawen ihre christlichen Sklaven damit gefesselt haben“, so Weibezahn. Diese Heiden.

Auf etwa 30 Quadratmetern finden BesucherInnen Vitrinen, Texttafeln und Wandschmuck. „Hier links die Abteilung Heidentum“, beginnt Weibezahn den kleinen Rundgang. Die Texttafeln, geschmückt mit bunten Landkarten und Fotografien, vermitteln ausschnitthaft einen Eindruck von dem, was Slawenmission auf Bremisch bedeutet. Dazu Abbildungen von Malereien aus dem 19. Jahrhundert, die romatisierend heidnische Szenen nachstellen.

Bereits im 8. Jahrhundert siedelten im Anschluss an die Völkerwanderung Slawen auch vor den Toren Bremens. Wagrier und Polaren spannten ein dichtes Netz aus Dörfern und Burgen von Lauenburg über Oldesloh bis Kiel. Alt- Lübeck war gar slawische Königsresidenz. Doch schriftlich überlieferten die Slawen und Elbslawen rein gar nichts. Das Wissen der Texttafeln stammt vielmehr aus fränkischen, sächsischen, arabisch-jüdischen, dänischen und eben auch bremischen Quellen: Der Chronist Adam von Bremen nannte seine Stadt im 11. Jahrhundert ja schließlich „Rom des Nordens“.

Was wirklich rund um das mittelalterliche Bremen geschah, bennent das Vorwort zum Ausstellungskatalog vollmundig: „Fest steht: Für viele Kirchenmänner war Missionstätigkeit gleichbedeutend mit Martyrium und Tod“, doch wird auch eingeräumt, dass „hinter der Missionstätigkeit nicht nur theologische, sondern auch politische und wirtschaftliche Motive“ steckten.

Und welchen Motiven folgt eine Ausstellung wie diese in Bremen heute? Nicht nur die Zeit nachzeichnen will Weibezahn, „Wir wollen die Leute aus Bremen und Umgebung anlocken, auch die aus Lübeck und Oldenburg. Die können sich dann anschauen, von wo aus sie missioniert worden sind.“

Daniel Satra

Führungen durch die Sonderaustellungen im Dom-Museum: 18. April und 25. April, sowie am 8., 12. und 30. Mai, jeweils um 15 Uhr, Teilnahmegebühr 3/2 Euro.

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