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Nur Gnadenfrist für den Wehrdienst

■ Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes: Deutschland braucht auf die billigen Verweigerer nicht zu verzichten. Aber sechs Monate würden reichen, sagt Volker Kröning (SPD)

Die Wehrdienstverweigerer scheinen derzeit das stärkste Argument für die Beibehaltung der Wehrpflicht zu sein. Diesen Eindruck machen jedenfalls die Stellungnahmen rund um die gestern verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur allgemeinen Wehrpflicht: Das „Deutsche Rote Kreuz“ kann ohne den allgemeinen Wehrdienst seinen Auftrag nicht erfüllen, die Kirchen wissen nicht aus noch ein, die Kindergärten und die Altenpflege würden zusammenbrechen ohne Wehrdienst und die Verweigerer. Nicht die Verweigerer, sondern die aktiven Soldaten braucht der Deutsche Sportbund: Ohne Bundeswehr sähe Deutschland bei den Olympischen Spielen alt aus, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Sie alle schätzen die billige „ehrenamtliche“ Amateurs-Arbeitskraft der jungen Männer.

Der offiziellen Lesart, dass die Wehrdienst-Gegner eine Bauchlandung vollführt hätten, widersprechen die Wehrdienst-Gegner. Die Begründung, die allgemeine Wehrpflicht sei das Rekrutierungsmittel für Freiwillige und Berufssoldaten, entspreche nicht der Verfassung. In der Begründung des Gerichtes werde zudem ausdrücklich auf das Karlsruher Urteil von 1978 Bezug genommen, sagt Peter Tobiassen von der Bremer „Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstgegner“. Damals habe das Bundesverfassungsgericht die verfassungsgemäße Legitimation des allgemeinen Wehrdienstes ausdrücklich von der Wehrgerechtigkeit abhängig gemacht. Der Fall, um den es diesmal vor dem Gericht ging, stammt aus dem Jahre 1993. Heute sei die Lage anders: Der Bund wolle nur jeden Vierten „ziehen“. „Da kann man nicht von Wehrgerechtigkeit reden“, sagt Tobiassen. Insofern sei das Karlsruher Urteil, dass sich explizit zum Thema Wehrgerechtigkeit ausschweigt, im Grunde der „Todesstoß für die Wehrpflicht“, weil es tatsächlich eine erneute Klage mit dieser Begründung herausfordere.

Auch für den Bremer Bundestagsabgeordneten Volker Kröning (SPD) steht die Frage der Wehrgerechtigkeit „im Raum“. Er geht aber davon aus, dass derzeit mit diesem Argument der Wehrdienst „juristisch noch nicht angreifbar“ sei. Das Bundesverfassungsgericht beschreibe Wehrpflicht „überraschend deutlich“ als Bereich politischer Gestaltung.

Eine Wehrpflichtigen-Armee bringe für Kröning „ein größeres Maß an gesellschaftlicher Integration“ der Armee. Und das „Profil der deutschen Außenpolitik „sei nicht ausreichend gesichert für eine Berufs-Armee“. Schon derzeit sieht er Anzeichen dafür, dass die Militärs sich gegen den Primat der Politik für ihren Bereich auflehnen. „In dieser Dekade“ solle es daher bei der allgemeinen Wehrpflicht bleiben, meint Kröning. Er sieht auch für mehr Wehrgerechtigkeit eine Chance, wenn der Wehrdienst noch weiter verkürzt wird – von derzeit zehn auf sechs Monate. Dann könnten Jugendliche dieses halbe Jahr mühelos in ihre Ausbildungs-Planung integrieren.

Aber „langfristig“ müsse Deutschland sich auf eine Berufsarmee einstellen, sagt auch Kröning. Ende dieses Jahrzehntes wird die Zahl der jungen Männer aus demografischen Gründen deutlich sinken. Das Argument der „Wehrgerechtigkeit“ würde sich dann erledigen, dafür könnte die Frage dringender werden, welchen Preis die Volkswirtschaft dafür zahlt, dass junge arbeitsfähige Männer monatelang aus dem Ausbildungs- und Arbeitsprozess herausgeholt werden. Klaus Wolschner

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