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Drei Freunde namens Alfred

Wladimir Putin und Gerhard Schröder treffen sich zum ersten Staatsgipfel bei einem Kochmützen-Moderator. Alfred Biolek ist zu verdanken, dass Deutschland jetzt das Geheimnis ihrer Freundschaft kennt, auch wenn er es unwissentlich preisgegeben hat

von PATRIK SCHWARZ

Um es vorweg zu sagen: Es gibt es, das Geheimnis in der Freundschaft zwischen Gerhard Schröder und Wladimir Putin. Das Geheimnis lautet: Gerhard Schröder ist Alfred Biolek. Deshalb verstehen sie sich auch so gut, der Alfred als Gerhard, der Gerhard als Alfred und der Wladimir als der Wladimir.

50 Jahre lang waren Deutsche und Sowjets mit der Suche nach dem Bernsteinzimmer beschäftigt. Immer mal wieder sind Spuren, Indizien, Zeugen aufgetaucht. Inzwischen gibt es die Sowjetunion nimmer, und statt nach dem Bernsteinzimmer sucht das deutsche Fernsehen die Freundschaft zwischen Putin und Schröder. Eifrig müht sich Alfred Biolek um Spuren, Indizien, Zeugen: die Frauen (haben gerade die Patenschaft für die deutsch-russische Spracholympiade übernommen), die Kinder (Putins Töchter sprechen mit Muttern auch gerne mal Deutsch), das Bier (das der Präsident in Deutschland lieben lernte und von dem Schröder beteuert, nur ganz wenig zu trinken).

Was Alfred als Gerhard fragt, gefällt Gerhard als Alfred so gut, dass man mit dem vereinten Schmunzeln der beiden fünfzig Bernsteinzimmer tapezieren könnte. Je länger ein Kanzler regiert, umso unvermeidlicher legt er die Seite seines Wesens an den Tag, die das größte Potenzial hat, der Welt fürchterlich auf den Geist zu gehen. Bei Helmut Schmidt war es der Feldwebelton, bei Helmut Kohl die Selbstgefälligkeit. Bei Gerhard Schröder könnte es seine schwer grassierende Onkelhaftigkeit werden.

In der Sendung von Biolek, dem Onkel aller Onkel, fällt diese Seite nur besonders deutlich auf. Sie besteht im Wesentlichen aus einem geübt-gutmütigen Gesicht und den zwei Onkel-Beteuerungen für alle Lebenslagen: „Es ist doch gar nicht so schwer zu begreifen“ lautet die eine, und die andere „es ist eben nicht alles so einfach, wie du dir das vorstellst, Dummchen“. Zu Russland passen beide gut. Gleich, ob es um Menschenrechte, Pressefreiheit oder Tschetschenien geht, Schröder sagt immer: Russland ist groß, das ist doch gar nicht so schwer zu begreifen, und da kann man nicht einfach unsere Maßstäbe anlegen, es ist eben nicht alles so einfach, wie du dir das vorstellst, Dummchen.

Wann hat Putins Tag heute begonnen (um 8 Uhr Moskauer Zeit), ist er jetzt nicht müde (neinnein, die angenehme Gesellschaft mache ihm das Wachbleiben leicht), und was hat es eigentlich mit dem russischen Vatersnamen auf sich (das sei eine respektvolle Anrede) – wenn Biolek die Fragen nicht gestellt hätte, dann sicher Schröder. Wahrscheinlich hat Schröder sie gestellt. Bei der Schlittenfahrt mit Ehefrauen zum orthodoxen Weihnachten. Bei der Dampferfahrt mit Ehefrauen in Dresden.

Als sich ein einziges Mal doch Schärfe in eine Frage verirrte, war alles wohl nicht so gemeint: ob der Präsident denn auch finde, dass es eben in Tschetschenien nicht anders gehe, als mit ein paar Menschenrechtsverletzungen? Nein, sagt milde der Präsident, dieser Ansicht sei er natürlich ganz und gar nicht.

Der Moderator aus dem Fernsehen und der Moderator aus dem Kanzleramt sind Meister in der Kunst der kastrierten Kritik: sie servieren dem Gegenüber die Ausrede schon in der Frage mit. Die russische Demokratie sei von der Mafia bedroht, klärt Biolek den Russen auf, da müsse der Präsident ja wohl zu einer Politik der harten Hand greifen „und das ist dann auch wieder schlecht für die Demokratie“. War da eine Frage? Putin redet umso länger. Sagt, was er einem westlichen Publikum immer sagt: dass der Terrorismus eine schlimme Sache ist. Wer wollte da widersprechen? Alfred Schröder sicher nicht.

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