: Vom Rübenacker auf den Fernsehschirm
Ob Evangelische Medienakademie oder Axel-Springer Schule, die deutsche Journalistenschulenlandschaft ist so vielfältig wie ihre Auswahlprozeduren: Prominentenraten, BWL auf dem Bauernhof und Interesse an Glaubensfragen
Es gibt viele Wege, die zum Traumberuf Journalist führen. Die größten Chancen verspricht die Ausbildung an einer Journalistenschule, die Plätze sind rar und gefragt. Vergeben werden sie an fast allen dreizehn deutschen Schulen in einem zweistufigen Verfahren.
In der ersten Runde muss in der Regel eine Reportage geschrieben werden, mehrere Themen werden dazu vorgegeben. Eine Jury wählt dann die vermeintlich talentiertesten Bewerber für die zweite Runde aus. Bei dieser eigentlichen Prüfung sind in einem Wissenstest Allgemeinbildung und Kenntnis des aktuellen Tagesgeschehens gefragt. Beliebt sind dabei auch Bildertests, bei denen prominente Gesichter wie Angela Ermakova oder Junichiro Koizumi identifiziert werden wollen.
In einem Praxistest muss dann unter Zeitdruck ein journalistischer Beitrag erstellt werden. Bewerbungsunterlagen, Themen der letzten Jahre und Beispieltests finden sich auf vielen Homepages der Schulen.
Die Ausbildung selbst dauert in den meisten Fällen 15 bis 20 Monate und besteht aus Theorieblöcken sowie Praktika in verschiedenen Redaktionen. Dabei wird meist multimedial ausgebildet, der Abschluss befähigt damit zur Arbeit als Redakteur in Print-, TV-, Radio- und Online-Redaktionen.
Doch um an eine Journalistenschule zu kommen, benötigt man nicht nur Talent sondern auch Glück. Die Liste abgelehnter Medienpromis ist lang, die Hamburger Henri Nannen Schule verschmähte unter anderem Harald Schmidt. Ab dem 8. Mai kann man sich an der Schule von Gruner + Jahr und der Zeit wieder für einen der 18 Plätze bewerben. Grundvoraussetzung ist die perfekte Beherrschung der deutschen Sprache, die einzigen Ausländer, die es nach Hamburg schafften, waren drei Österreicher, ein Schweizer und ein Italiener aus Südtirol. Absolvent an der Schule des Stern-Gründers Nannen war auch der RTL-Aktuell-Anchorman Peter Kloeppel. Der ist inzwischen Direktor der RTL-Journalistenschule für TV und Multimedia. Seit 2001 bildet der Kölner Sender dort künftige Nachrichtensprecher und Redakteure aus. Schwerpunkte der Schule sind Fernsehen sowie Multimedia. Dementsprechend ist die Bewerbung nur über das Internet möglich, und das auch erst wieder im Februar 2004 für das Schuljahr 2005/2006. Dafür bietet die Journalistenschule von RTL immerhin 30 Plätze und eine Vergütung von 767 Euro monatlich.
Mehr Stellen als an der Kölner gibt es nur an der Journalistenschule Axel Springer, wo 45 Schüler den Duft von Bild und Welt schnuppern können. Eine weitere Ausbildungsstätte am Rhein ist die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft, nächster Bewerbungsschluss dort ist der 31. Januar 2003. Interessenten sollten aber Schweine, Kraut und Rüben mögen, denn vier Wochen Praktikum auf einem Bauernhof liegen vor der Ausbildung. Die Jungjournalisten sollen so „Einblick in die sozialen und ökonomischen Strukturen einer überschaubaren betriebswirtschaftlichen Einheit gewinnen“.
Die älteste deutsche Journalistenschule ist die Deutsche Journalistenschule. Seit 1959 wurden in München mehr als 1.600 Journalisten ausgebildet. Inzwischen hat das Institut noch einen Ableger in der Hauptstadt. Die Berliner Journalisten Schule ist die erste gesamtdeutsche Ausbildungsstätte. Im Pressehaus am Alexanderplatz erfolgt die Printausbildung, Radio- und TV-Seminare finden beim SFB in Charlottenburg statt.
Ebenso in Berlin beheimatet ist die Evangelische Medienakademie. Während die Altersgrenze der meisten Schulen bei 28 liegt, nimmt diese Bewerber bis zum Alter von 35 Jahren an. Besonders ist auch die Bewerbung, gefordert sind eigene Arbeitsproben und die Beurteilung eines Artikels aus der Süddeutschen Zeitung. Die Kirchenmitgliedschaft ist erwünscht, aber nicht unabdingbar, es wird jedoch Interesse an Glaubensfragen vorausgesetzt. O. VOSS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen