: Zweifel an Explosionsunfall in Dscherba
Tunesiens Tourismusindustrie drohen große Verluste, sollte die Explosion mit elf Toten vor der Synagoge auf der tunesischen Ferieninsel ein Anschlag gewesen seien. Das Bundeskriminalamt ist bei den Ermittlungen dabei
MADRID taz ■ Über den Hergang der zunächst als Unfall dargestellten Explosion eines mit Gas beladenen Tanklasters vor einer Synagoge auf der tunesischen Insel Dscherba ist gestern viel spekuliert worden. Viele Beobachter halten einen Anschlag für möglich. Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte in Berlin, die Bundesregierung wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, sondern sich an den Fakten orientieren. Das Bundeskriminalamt entsandte inwischen zwei Spezialisten nach Tunesien.
Am Donnerstag war ein Flüssiggaslaster an der Mauer der La-Ghriba-Synagoge explodiert. Dabei starben nach neuesten Erkenntnissen elf Menschen, darunter vier Einheimische. 32 wurden zum Teil schwer verletzt. Sechs der Toten und fast alle Verletzten sind deutsche Urlauber, die sich auf einer Inselrundreise im Bus befanden. Die Synagoge ist als ältestes jüdische Gebetshaus Afrikas eine der Sehenswürdigkeiten Dscherbas.
„Das kann kein Unfall gewesen sein“, meinte der in Israels Außenministerium für den Maghreb zuständige Abteilungsleiter Schalom Cohen wenige Stunden nach der Explosion. Er widerspricht damit der Version der tunesischen Behörden von einem „dramatischen Unfall“. „Um zur Synagoge zu kommen, muss man das wirklich wollen. Da sind lauter kleine Gassen, die den Berg hinaufführen, und zudem gibt es noch eine Straßensperre.“ Zuvor hatte bereits ein Sprecher des israelischen Außenministeriums versichert, es lägen Hinweise auf einen Anschlag vor. Seine Quellen wollte er allerdings nicht preisgeben. Auch Augenzeugen der Explosion erklärten gegenüber Nachrichtenagenturen, es habe sich um ein „Kamikaze-Attentat“ gehandelt.
Tunesiens Behörden halten unbeirrt an ihrer Unfallversion fest. Während das Staatsfernsehen den Vorfall unerwähnt ließ, beschränkte sich das Staatsradio auf eine kurzen Hinweis auf den „tragischen Unfall“. Nach den Erklärungen aus Israel wurde dieser ersatzlos gestrichen. Genauer wird nur die größte frankophone Tageszeitung des Landes, Le Temps: „Passanten haben kurz vor dem Unfall einen Gastanklaster gesehen, der in eine Straße in der Nähe des Gebetshauses einbog. Der wachhabende Polizist gab ihm Zeichen, zu stoppen.“ Der Lkw-Fahrer habe dies missachtet, sei ins Schleudern geraten und auf die Mauer der Synagoge geprallt.
Eine Überprüfung dessen, was wirklich geschah, ist nicht möglich. Polizisten riegelten den Ort der Explosion im Umkreis von 500 Metern mit Metallzäunen ab. Weder die Presse noch Angehörige und Freunde der Opfer werden vorgelassen. Für israelische Stellen ist dies ein weiterer Hinweis darauf, dass Tunesiens Behörden etwas vertuschen wollen. „Wir haben seit längerer Zeit befürchtet, dass die antisemitische Welle Todesopfer fordern könnte“, erklärte der israelische Regierungssprecher Arie Mekel.
Zuletzt waren immer wieder Synagogen, vor allem in Frankreich, Ziel von Anschlägen. Sollte sich bestätigen, dass die Explosion ein Anschlag war, könnte dies katastrophale Folgen für Tunesiens Wirtschaft haben – ein Sechstel der Bevölkerung lebt vom Tourismus. REINER WANDLER
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