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„Rechnungen ergeben: Bremen ist mit Auto nicht erreichbar“

■ Klaus Hinte, Bremens engagierter Verkehrsplaner, geht in den Ruhestand. Zum Abschied erinnern wir an die Unruhe, die er lange auslöste

Ohne großen Bahnhof soll Klaus Hinte, der Leiter der Zulassungsstelle, in den Ruhestand verabschiedet werden – jener Hinte, um den es vor Jahren fast jede Woche böse Schlagzeilen gab. Klaus Hinte war damals ein streitbarer Leiter der Straßenverkehrsbehörde. Streitbar aus der Überzeugung, dass es Sinn macht, die Interessenkonflikte um die Verkehrpolitik in einer Großstadt öffentlich auszutragen. Um Hinte aus dieser Funktion loszuwerden, wurde die ganze Straßenverkehrsbehörde umorganisiert. Die taz wollte vor dem Abschied in den Ruhestand noch einmal nachfragen, worum es ihm ging.

taz: Die Handelskammer hat darauf hingewiesen, dass in den nächs-ten Jahren eine 50-prozentige Erhöhung des Verkehrsaufkommens zu erwarten ist. Bei der Bremer Innenstadt zwischen Weser und Wallgraben wird das ja schwierig.

Klaus Hinte: Natürlich. Bremen ist mit dem Auto nicht erreichbar, das habe ich der Handelskammer immer gesagt. Die können nicht rechnen. Bremen kann von 14 Fahrspuren von außen angefahren werden. Darüber können 10.000 Fahrzeuge pro Stunde hineinfahren. In einer halben Stunde hätten wir dann alle Hochgaragen Bremens voll. Die Frage ist: Was mache ich danach? Und was mache ich, wenn ich sehe, dass die Autofahrer nicht in die Hochgaragen wollen? Aber das sind Argumente, die will keiner hören.

Dann müsste man eine autofreie Innenstadt machen. Sie haben einmal versucht, dies über kostenlose „kommunale Fahrräder“, die überall stehen sollten, zu ermöglichen.

Für mich als Verkehrsregler war es immer eine mathematische Frage: Jedes Fahrrad ersetzt ein Auto auf der Straße, braucht aber 20 Quadratmeter weniger. Das kann man ganz nüchtern rechnen.

Da könnten Straßenbauer ja auch Geld sparen.

Natürlich. Man muss nur die Radfahr-Infrastruktur so errichten, dass das Radfahren Spaß macht. Wenn ich kaputte Radwege habe, wenn die Überfahrten mühsam sind, dann macht Radfahren keinen Spaß. Dasselbe gilt für Ampelschaltungen: Wer eine grüne Welle für Autos schaltet, schaltet oft eine rote Welle für Radfahrer. Auch darüber muss man nachdenken.

Rudi Carell hat damals den Startschuss für das „kommunale Fahrrad“ gegeben. Woran ist das Projekt gescheitert?

Begriffen hat das der Bremer Journalismus nie. Wir mussten im ersten Jahr mit 80 Fahrrädern anfangen, Arbeitslose haben die vom Fundamt geholt und aufgemöbelt. Sogar in Japan wurde darüber berichtet. Ich hätte tausend gebraucht, in Sonderanfertigung mit Neunkant-Schrauben, deren Teile auf kein anderes Rad passen. Bekommen habe ich aber 200 normale Räder, die wir nach der großen Eröffnung gleich wieder eingesammelt haben. So haben wir die überhaupt gerettet. Der ADFC hat sie für seine Fahrradsta-tion am Bahnhof bekommen. Das war am Ende nicht mehr als eine riesen Werbekampagne für das Fahrrad. In der Zwischenzeit hat Zürich mit einer Gratis-Veloverleih-Aktion die Stadtrad-Idee aufgegriffen. Aber es gibt keine Stadt, die das ernsthaft als Innenstadt-Entlastungsprojekt betreibt.

Dafür wird kein Geld ausgegeben. Aber für den sechsspurigen Ausbau der A 27 ist Geld da.

Das zeigt ein grundsätzliches Problem. Wenn man die A 27 wegen des ständigen Staus ausbauen will, kriegt man die Verkehre schneller in die Abfahrt Freihafen. Und dann? Dann muss ich den Fly Over über den Utbremer Kreisel erweitern. Und dann? Dann komme ich da schneller drüber weg und stehe am Hauptbahnhof im Stau. Die Verkehrsplanung denkt von außen nach innen, das ist falsch. Außen sind die Widerstände geringer und dann regiert die Hoffnung, dass sich die Verkehre innen irgendwie verlaufen. Oder dass es Druck gibt, das zu regeln. Eigentlich muss umgekehrt rechnen: Ganz innen drin, wo meine Hauptanziehungspunkte sind, da kann ich eine PKW-Menge x vertragen. Außen darf ich dann nur eine Menge „x Minus“ hineinlassen. Wenn ich „x-Plus“ reinlasse, gibt es die Schleichverkehre und die Staus und dicke Luft in der Stadt. Aber das setzen Sie einmal durch!

Warum wird das Problem nicht offen diskutiert in der Stadt?

Da müssen Sie die Politiker fragen und dann sind Sie mitten im Spinnennetz. Politik pflegt daher lieber nicht so einen großen Wurf zu machen, sondern eher von Fall zu Fall zu entscheiden. Das ist normal bei Politikern. Und die Handelskammer unterschätzt, wie viele Fahrradkunden sie hat. Und wie viele Fahrradkunden sie haben könnte, wenn es andere Infrastrukturbedingungen gäbe.

Haben Sie, ganz privat, ein Auto?

Ich fahre leidenschaftlich gern Auto. Nur nicht in der Stadt, wenn ich nichts zu transportieren habe. Täglich zur Arbeit fahre ich mit dem Fahrrad. Fragen: K.W.

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