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Das Ende einer grünen Karriere

Den Linken war er zu realpolitisch, den Realos zu rebellisch – „eine Tragödie“ ist Oswald Metzgers Niederlage nicht einmal für ihn selbst

aus Freiburg RALPH BOLLMANN

Schluss. Aus. Vorbei. Mit einem Schlag weicht das demonstrative Lächeln, das Oswald Metzger den ganzen Tag über aufgesetzt hatte, dem versteinerten Ausdruck des Verlierers. Ein kurzer Händedruck für den Sieger Cem Özdemir, dann packt Metzger seine Sachen und geht hinaus in den Nieselregen dieses trüben Samstagnachmittags. Ganz allein, nur von seiner Frau begleitet, zieht er sich in ein Restaurant zurück. Kein Fernsehteam wagt es, dem Geschlagenen zu folgen. So sieht das Ende einer politischen Karriere aus.

Drinnen im Saal erklären Parteichef Fritz Kuhn und Fraktionschef Rezzo Schlauch, dass sie mit dem Ergebnis des Parteitags hoch zufrieden sind. Nur ganz knapp hatten sich die beiden Spitzengrünen auf Platz zwei und vier der nach Geschlecht quotierten Liste durchgesetzt – Kuhn gegen Metzger und einen parteilosen Überraschungskandidaten, Schlauch gegen den Pazifisten Winfried Hermann. Aber Mehrheit ist Mehrheit, und mit Siegerlächeln posieren die beiden Arm in Arm für die Kameras. Und Metzger? „Natürlich ist der Metzger ein guter Haushaltspolitiker“, sagt Kuhn, „aber das Problem werden wir lösen.“ Und Schlauch ergänzt: „Bei den Grünen gibt es immer intelligente, überdurchschnittlich engagierte Leute, die sich in so was reinarbeiten.“

Selber schuld, sagen die meisten Delegierten: Was hatte Metzger geritten, dem Parteivorsitzenden Fritz Kuhn völlig überraschend den ersten Männerplatz der Landesliste streitig zu machen? Warum hielt er sich nicht an die Absprache mit Özdemir – und trat im Kampf um den dritten Männerplatz auch im zweiten Wahlgang an, obwohl er damit nur die Chancen des Pazifisten Winfried Hermann erhöhte?

„Es ist wirklich eine Tragödie, wie so ein Mann sich selbst demontiert“, sagt ein Delegierter aus Metzgers oberschwäbischer Heimat. Und der Gewinner Özdemir beteuert mit dem Sektglas in der Hand, er hätte seinem Freund Metzger gern geholfen. „Aber zum Helfen gehören zwei: einer, der hilft – und einer, der sich helfen lässt.“

Was aber hätte Metzger tun sollen? Sich kampflos mit dem eher aussichtslosen Listenplatz hinter Özdemir begnügen – und darauf hoffen, dass er als Nachrücker irgendwann wieder ins Parlament kommt? Ausgerechnet er, der das zentrale Politikfeld der Haushaltspolitik für die Grünen erst erobert hat? Der vom Sparen schon sprach, lange bevor Hans Eichel Finanzminister wurde? „Irgendwo gibt es ja auch so etwas wie einen Stolz“, sagt er an seinem einsamen Platz ganz hinten in der Halle zu den Journalisten. „Ich habe intern sehr wohl gesagt: Ich will mich nicht mit dem achten Platz abspeisen lassen.“

Spät, zu spät erkannte Metzger, dass niemand die Weichen anders stellen wollte – obwohl sein Zug schon seit Monaten in Richtung Abstellgleis raste. Seit vorigem Herbst stand fest, dass Kuhn neben seinem Parteiamt auch ein Bundestagsmandat will – und einen der raren Listenplätze in Baden-Württemberg beansprucht. „Emotional hat mich das gewurmt seit letztem Jahr“, sagt Metzger. Doch öffentlich gesagt hat er es erst drei Tage vor dem Parteitag, als ihm die Felle in der Konkurrenz zu Özdemir davonschwammen. Als er merkte, dass ihm auch sein wackerer Kampf um den militärischen Airbus bei den Delegierten nicht helfen würde. Niemand mochte sich mit dem Vorschlag hervorwagen, in diesem einen Fall von der Frauenquote abzuweichen. Am allerwenigsten Parteichef Kuhn, der genug Mühe hat, die Vereinbarkeit von Amt und Mandat durchzusetzen – und am allerwenigsten für Oswald Metzger, der ohnehin den meisten Grünen auf die Nerven geht: Den Linken ist er zu realpolitisch, den Realos zu rebellisch und fast allen zu nahe an der FDP.

Obendrein bearbeitet er ein Fachgebiet, das die grünen Herzen nicht erwärmt. Metzgers politischer Amoklauf in Freiburg war auch eine letzte Rache am eigenen Parteiflügel, der ihn so schmählich im Stich gelassen hatte. Seine Weigerung, auf dem wenig aussichtsreichen achten Listenplatz zu kandidieren, machte dort den Weg frei für den Pazifisten Winfried Hermann. Weil das überraschte Realo-Lager auf die Schnelle keinen profilierten Gegenkandidaten auftreiben fand, könnte Hermann bei einem unerwartet guten Abschneiden der Grünen wieder in den Bundestag einziehen – und dort die Rolle des Rebellen übernehmen, die Metzger nun nicht mehr ausfüllen darf.

Und Metzger selbst? Als er mit seiner Frau aus dem Restaurant zurückkommt, hat er sich schon wieder gefasst. Vom heutigen Montag an sei er auf Jobsuche, kündigt der 47-Jährige an. „Meine Anschlussverwendung wird eher in der Wirtschaft liegen als in der Politik“, sagt er auf die Frage nach der künftigen Stellenbeschreibung. „Ich kann ja jetzt medial meine Bewerbung aussprechen: Wenn ihr was habt, kommt auf mich zu.“

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