DEN KURDISCHEN ORGANISATIONEN NÜTZT DIE SELBSTAUFLÖSUNG DER PKK: Wegfall eines Standardarguments
Aus PKK, der Kurdischen Arbeiterpartei, wird Kadek, der „Kongress für Freiheit und Demokratie in Kurdistan“. Die PKK, verkünden ihre Sprecher, habe ihre Aufgabe erledigt. Jetzt beginne eine neue Etappe im Kampf um kulturelle und politische Rechte der Kurden. Was aber war die Aufgabe, die die PKK jetzt als erledigt betrachtet? Der Traum eines eigenen kurdischen Staates ist weiter entfernt denn je, die soziale Lage der kurdischen Minderheit im Südosten der Türkei war selten so schlecht wie derzeit, und auch von der neuen kulturellen Freiheit ist man noch weit entfernt, auch wenn sich auf diesem Gebiet am meisten bewegt hat. Fünfzehn Jahre Guerillakrieg endeten mit einer lange kaum für möglich gehaltenen weitgehenden militärischen Niederlage der PKK, mit der Zerstörung der ländlichen Struktur in den kurdischen Gebieten und Millionen entwurzelter Menschen in den Slums von Diyarbakir bis Istanbul.
Dabei hat die PKK auch etwas erreicht. Heute gibt es in der Türkei ein kurdisches Nationalbewusstsein, das es so 1980 noch nicht gab. Die Forderungen nach mehr Rechten und Anerkennung der kurdischen Kultur sind für das politische Establishment und die Armee nicht mehr unter den Tisch zu kehren. Bislang allerdings wollen die militärischen Sieger die Besiegten auch in keiner neuen Rolle dulden.
Im Moment wehrt die politische Klasse in Ankara Forderungen nach freien kurdischen Medien, Unterricht in der Muttersprache und ein wenig mehr Föderalismus im türkischen Zentralstaat immer noch ab. Bisher war ihr Hauptargument, die PKK steuere weiterhin die Aktionen der Hadep – der wichtigsten kurdischen Partei, die auch zahlreiche Bürgermeister stellt – und verfolge nach wie vor als Hauptziel die Teilung des Landes. Solange die PKK sich nicht wirklich von der Bühne verabschiedet, wird man in der Türkei mit diesem Argument immer punkten können. So paradox es klingen mag, die PKK würde den Kurden in der Türkei den größten Gefallen tun, wenn sie sich tatsächlich auflöste. Denn ihre Zeit ist vorbei.
JÜRGEN GOTTSCHLICH
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