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Material für Underground-Kino satt

■ Zwei Tage in Hamburg zum Kinos-Rocken: Jack Stevenson mit der Diashow „Lars Trier Under Glass“ und dem Kurzfilmprogramm „Drug-Scare Spookshow“

Den Traum vom eigenen Kino hat Jack Stevenson noch nicht aufgegeben. Einen Ort mit Aura, vor dessen Leinwand sich allabendlich Filmfreaks, Punks und andere Außenseiter zusammenfinden. Wo Nacht für Nacht alles möglich ist, vom kollektiven Verlassen des Saals bis zu hysterischen Verbrüderungen. Einen nostalgischen Ort. Einen Ort der Körper. Einen Ort, wo von Army Medicine in Vietnam über Last House on the Left, obskuren Pornos aus den 70er Jahren, Mondo Trasho bis zu Dokus über Nierenoperationen in Russland die ganze schöne Welt des Underground-Kinos noch einmal lebendig wird.

Dem Hamburger Liebhaber des abseitigen Films wird es bei dieser Vorstellung wehmütig ums Herz. Was waren das für schöne Zeiten damals, als in einem kleinen Kino in der Kieler Straße die Gruppe SPK mit ihrem Noise den Soundtrack für eine auf der Leinwand sich abspielende Zahnoperation ablieferten, als Peter Jackson in einer Diashow die Special Effects von Bad Taste erläuterte. Diese Nostalgie, diese Sehnsucht nach dem kommunalen Genuss von tabuisierten Bildern, ist der Hauptantrieb für den amerikanischen Undergroundarchivar Jack Stevenson, der jetzt für zwei Tage nach Hamburg kommt.

Seit 1986 stellt Stevenson Filmprogramme zusammen, meist thematisch zusammengefasste Schmuckstücke aus seiner umfangreichen Sammlung. Einzige Regel: kein Video. Stevensons Material sind 16mm- und 35mm-Filmrollen und -schnipsel, die er in Filmlabors, auf Flohmärkten und Auktionen, auf Müllkippen und in bankrotten Kinos findet.

In seinem Keller in Dänemark, wo Stevenson seit 1993 lebt, befinden sich über 500 Filme, ein in seiner Art einmaliges Archiv des verdrängten Films. Er ist jedoch kein Sammler, der das Material hinter Panzerglas für die Ewigkeit konservieren will, ihm geht es um den Live-Aspekt seiner Screenings, um die Momente, in denen sich dem Publikum kollektiv die Nackenhaare sträuben.

Stevensons neuester Fetisch ist der dänische Regisseur Lars von Trier, über den er demnächst ein Buch veröffentlichen wird. Unter der Titel „Lars von Trier Under Glass“ präsentiert er am Dienstag im Lichtmeß eine Diashow, die mit bisher unveröffentlichten Materialien und Bildern ein etwas anderes Licht auf den Regisseur werfen soll. Stevenson verspricht einen Insiderblick auf eine der rätselhaftesten Persönlichkeiten des zeitgenössischen Kinos.

Etwas klassisch anarchischer geht es dann am Tag darauf bei der „Drug-Scare Spookshow“ im 3001 zur Sache, in der Stevenson eine Reihe Kurzfilme zum Thema Drogen im Film präsentiert. Zu sehen sind unter anderem LSD-Fallstudien von der US-Navy und der Firma Lockheed Aircraft, Trailer zu Filmen wie Marijuana – Weed with Roots in Hell und Curfew Breakers, „Psychedelic Dance Scenes“ mit Cab Calloway und den Chambers Brothers und der 25-minütige Klassiker Narcotics – Pit of Despair.

Volker Hummel

„Lars von Trier Under Glass“: Di, 20 Uhr, Lichtmeß; „Drug-Scare Spookshow“: Mi, 22.30 Uhr, 3001

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