: Lasst uns den Kirch im Dorf!
Auch anderswo macht der Fußball keine gute Figur: In Spanien werden Vereinspräsidenten verhaftet, die Schotten kicken ihre besten Klubs aus der Liga, und in Österreich meldet der Meister die Insolvenz
In Spanien geht Gil in den Knast
MADRID taz ■ Die Karriere der wohl schillerndsten Figur des spanischen Fußballs geht zu Ende. Der Präsident des hauptstädtischen Zweitligisten Atlético Madrid, Jesús Gil y Gil sitzt seit Dienstagabend in Untersuchungshaft. Der Ermittlungsrichter am höchsten spanischen Strafgericht, der Audiencia Nacional, Juan del Olmo hat für 72 Stunden Kontaktsperre verhängt. Er will damit verhindern, „dass der Angeklagte Beweise vernichtet“. Sechs von Gils engsten Mitarbeiter traten den gleichen Weg an wie ihr Chef.
Del Olmo ermittelt zusammen mit der Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wegen der Veruntreuung von 30 Millionen Euro. Jesús Gil soll das Geld zwischen 1991 und 1995 aus den Gemeindekassen in Marbella entwendet haben. Gil ist seit 1991 Bürgermeister des bekannten südspanischen Urlaubsorts. Die Trick mit dem sich der Bauspekulant bereicherte, ist so einfach wie alt. Zusammen mit einigen engen Vertrauten baute er ein Netz von Scheinunternehmen auf. Diese kassierten von der Gemeinde für nie erbrachte Dienstleistungen. Vier Millionen Euro sollen direkt auf den Privatkonten von Gil gelandet sein, zwölf Millionen in den Taschen des Geschäftsführers eines gemeindeeigenen Unternehmens, das in die Transaktionen verstrickt war.
Gil ist am Ende: Bereits vor zwei Wochen enthob der Oberste Gerichtshof Spaniens Gil von seinem Amt als Bürgermeister in Marbella. Das hohe Gericht bestätigte damit die Verurteilung Gils durch das Provinzgericht in Malaga im „Trikotfall“ zu sechs Monaten Haft und 28-jährigem Entzug des Rechtes öffentliche Ämter auszuüben. Die Richter befanden Gil schuldig, mit sich selbst ein Dreiecksgeschäft getätigt zu haben: Bürgermeister Gil schloss mit Atlético-Besitzer Gil einen Werbevertrag. Die Rot-Weißen, die kurz vor dem Wiederaufstieg in die erste Liga stehen, spielte fortan mit dem Namen des Mittelmeerortes auf der Brust. Marbella zahlte dafür 2,5 Millionen Euro. Angesichts der leeren Gemeindekassen streckte Privatmann und Bauspekulant Gil zusammen mit anderen Unternehmern das Geld vor und bekam es drei Jahre später mit Zinsen zurück. Um dem Ganzen einen halbwegs legalen Anstrich zu geben, betätigte sich Multitalent Gil kurzerhand als Fälscher und fertigte die entsprechenden Dokumente an.
Vor dem letzten Wochenende kam bereits der nächste Schlag. Richter del Olmo hatte vorsichtshalber das gesamte Vermögen Gils beschlagnahmen lassen, um so sicher zu stellen, dass dieser etwaigen Forderungen gerecht werden kann.
Gil macht nun zum dritten Mal mit dem Gefängnis Bekanntschaft. Bereits 1969 am Anfang seiner Unternehmerkarriere, saß er in Untersuchungshaft. Ein von ihm errichtetes Ausflugslokal in den Bergen bei Madrid stürzte ein. Gil hatte an der Statik gespart. 58 Rentner kamen dabei ums Leben. Nur 18 Monate später kam er wieder auf freien Fuß. Diktator Francisco Franco hatte ihn begnadigt. 1999 saß er im „Trikotfall“ fünf Tage in Untersuchungshaft, bevor er auf Anraten der Ärzte wieder frei kam. Nicht nur Richter del Olmo ist hinter Gil her. Auf den 68-Jährigen warten weitere Verfahren wegen seiner unorthodoxen Amtsführung in Marbella. Außerdem soll sich Gil auch an den Töpfen seines Klubs bereichert haben. Bei der Übernahme der hoch verschuldeten Rot-Weißen hat er die knapp acht Millionen Euros wohl nur zum Schein bezahlt. Gil lieh sich das Geld bei einer Sportverwertungsgesellschaft und zahlte es auf ein Konto ein, das er selbst unter der Bezeichnung „Atlético de Madrid im Umwandlungsprozess zur Aktiengesellschaft“ eröffnet hatte. Mit dem Beleg ging er zur Aufsichtsbehörde der Liga. Noch am gleichen Tag flossen die Millionen an die Sportverwerter zurück. Gil wurde somit offiziell Eigentümer von 63 Prozent der wenig später ausgegebenen Clubaktien ohne eine müde Pesete bezahlt zu haben. Insgesamt sollen auf diesem Weg 40 Millionen Euros veruntreut worden sein. Das Verfahren beginnt am 25. April. Dem Atlético-Präsidenten drohen 17 Jahre Haft. REINER WANDLER
In Österreich macht Tirol Pleite
BERLIN taz ■ Premiere für Joachim Löw. Der Trainer des FC Tirol steuert auf den ersten nationalen Meistertitel seiner Laufbahn zu. Ein schöner Erfolg für den Ex-Coach des VfB Stuttgart, doch eine Prämie für den Erfolg wird er sich abschminken können. Am Mittwoch wurde berichtet, dass der Innsbrucker Fußballverein pleite ist. Das ist keine Überraschung. Seit Monaten wird darüber spekuliert und die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem gegen den Expräsidenten Martin Kerscher. Er hatte 10 Millionen Schilling an eine amerikanische Investmentgesellschaft überwiesen, die wie von Geisterhand verschwand. Natürlich weist Kerscher jede Anschuldigung von sich.
Erstaunlich ist nun die Höhe der Schulden. Die sind mit anscheinend 30 Millionen Euro doppelt so hoch wie angenommen. Unter den 250 Gläubigern, auf die es der Verein gebracht hat, tummeln sich auch das Finanzamt und die Krankenkasse. Ein neuer Sponsor, der den Kub seit kurzem unterstützt, konnte anscheinend keine Entlastung bringen. Auch nicht die Raiffeisen Landesbank, die mit 700.00 Euro eingesprungen war. Der Generaldirektor der Bank, Fritz Hakl, ein langjähriger Freund des FC Tirol, sah die Lage zwar dramatisch, aber nicht aussichtslos. „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, sagte der Bankier und man muss im streng katholischen Tirol verwurzelt sein, um diese Art von Realismus zu predigen. Dieser Realismus und die Hoffnung auf die Qualifikation für die Champions League war wohl das Leitmotiv für die horrenden Gehälter, die manchen Spielern gezahlt werden. Doch was die Zahlung von Gehältern angeht, ist der Verein schon Monate im Rückstand. Ultimaten der Spieler verstrichen bisher folgenlos. Wird dem Verein die Lizenz entzogen, darf er nächstes Jahr in der Amateur-Liga West ganz unten neu anfangen. Eine Premiere: Tirol wäre der erste Meister, der zwangsrelegiert würde. THOMAS GÖGELE
In Schottland wird Glasgow englisch
DUBLIN taz ■ Die Sache ist dumm gelaufen für die „Glasgow Old Firm“. Jahrzehntelang haben Celtic Glasgow und Glasgow Rangers in der schottischen Fußballliga abgesahnt, weil sie die Einzigen sind, die Stadien füllen können. 17 Jahre lang haben sie die Meisterschaft unter sich ausgemacht und an den besonders lukrativen Lokalderbys verdient. Die „alte Firma“ funktionierte dank des steten Geldsegens so gut, dass die beiden Vereine ihre Vormachtstellung ausnutzen und der Liga ein Entscheidungsverfahren aufzwingen konnten, das ihnen ein Vetorecht einräumt. Andernfalls, so drohten sie, würden sie nach England in die First Division, die zweite Liga, abwandern und versuchen, in die Premier League aufzusteigen.
Nun haben die beiden Glasgower Clubs den Bogen überspannt. Nachdem sie vorige Woche den Vertrag für die Fernsehübertragungsrechte torpedierten, weil er ihnen einen zu geringen Anteil garantierte, haben die anderen zehn Clubs die Nase voll. Sie haben vorgestern ihre Mitgliedschaft in der schottischen Premier Division fristgerecht zum Jahr 2004 gekündigt und wollen ihre eigene Liga gründen. Chris Robinson, der Vorsitzende von Hearts of Midlothian, der sich zum Sprecher für die „unterdrückte Mehrheit“ gemacht hat, sagte gestern: „Wir nehmen unser Schicksal in die eigene Hand. Die neue Liga wird auf Fairness basieren.“ Ohne die beiden dominierenden Vereine, so glaubt er, wäre der Titelkampf spannender und würde mehr Zuschauer in die Stadien locken. Hämisch fügte er hinzu, dass Celtic und Rangers gerne einen Aufnahmeantrag stellen können.
Das werden die beiden Vereine nur im äußersten Notfall tun. Lieber würden sie nach England gehen, wo die Straßen angeblich mit Gold gepflastert sind. Aber dort ist man über eine schottische Invasion nicht allzu begeistert, schließlich müssten zwei Vereine zusätzlich absteigen, auch in der zweiten und dritten Liga. Falls nur einer der 72 englischen Profiklubs die Zustimmung verweigert, wäre der Plan geplatzt. Und auch die Fifa muss zustimmen, sieht Schottland, England, Wales und Nordirland aber als eigenständige Länder.
Selbst wenn alles nach Wunsch verliefe: In Schottland sind Rangers und Celtic die größten, doch in der First Division wäre ihr Budget nur Mittelmaß. Vielleicht gründen sie ja auch ihre eigene Liga und versuchen, einige der anderen schottischen Vereine herüberzuziehen, denn eine ganze Saison lang nur Lokalderbys wäre selbst für die „Old Firm“ zu viel. RALF SOTSCHECK
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